- Nach dem tödlichen Unfall eines Zugchefs im August 2019 in Baden (AG) hat die SBB den Abfahrtsprozess angepasst.
- Gemäss der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) besteht in einem Fall allerdings weiterhin ein «Sicherheitsdefizit».
- Das schreibt die Sust in ihrem Schlussbericht.
Die Sust sieht das Restrisiko in Bahnhöfen, bei denen die Abfahrtserlaubnis für Pendelzugkompositionen mit dem Einheitswagen IV noch mittels Abfertigungskasten erteilt wird. In diesen Bahnhöfen erteilt der Zugchef die Abfahrtserlaubnis an einem orangen Kasten auf dem Perron, bevor er in den Zug einsteigt und seine Türe schliesst.
Falsche Information bei Defekt
Wenn ein technischer Defekt bei der Türe vorliege, werde die Türe beim Lokführer als geschlossen rückgemeldet, obwohl diese noch nicht geschlossen sei, heisst es im Sust-Bericht: «So besteht das Risiko, dass der Zug abfährt, bevor der Zugchef eingestiegen ist, weiterhin.» Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Sust der SBB zu prüfen, ob das Risiko für das Zugpersonal tragbar sei.
Laut SBB-Sprecher Reto Schärli wurde das Zugpersonal dahingehend geschult, in einem solchen Fall nicht in den abfahrenden Wagen zu steigen. «Im Falle eines Defekts könnte sich die Türe schliessen, bevor der Zugbegleiter eingestiegen ist. In einem solchen Fall darf auf keinen Fall eingestiegen werden», so Schärli.
Der Schlussbericht der Sust zeigt ausserdem: Ein SBB-Techniker soll in acht Minuten 21 Elemente pro Wagon überprüfen. Zum Beispiel Lautsprecher, WC, Klimaanlage, Feuerlöscher, Licht. Und ausserdem noch alle vier Türen auf ihre sichere Funktion hin testen. Diese Zeit sei zu knapp bemessen, hält die Sust fest. Die SBB räumt dem Personal deshalb nun zwölf Minuten ein – und betont, dass es sich dabei um einen Richtwert handle. «Wenn mehr Zeit benötigt wird, soll man sich mehr Zeit nehmen.»
Die SBB beurteilte nach eigenen Angaben dieses Restrisiko bei der Einführung des neuen Abfertigungsprozesses, der ab Ende September 2019 angepasst wurde. Mit dem neuen Türblattkontrollschalter werde eine zusätzliche technische Sicherheitsbarriere eingebaut, damit die Türen beim Lokpersonal zuverlässig als «geschlossen» rückgemeldet würden, hält die SBB in einer Medienmitteilung fest.
SBB: Sicherheit erhöht
Die SBB weist weiter darauf hin, dass nach dem tödlichen Arbeitsunfall eine Reihe von Massnahmen eingeleitet worden seien, um die Sicherheit für Mitarbeitende und Reisende weiter zu erhöhen. Man habe «umfassende Lehren» aus dem Unfall gezogen. Ausserdem würden die älteren Bahnwagen auf einen modernen Einklemmschutz umgerüstet. Bis in zwei Jahren sollen alle Wagen sicher sein.
Die Sust bestätigt in ihrem Schlussbericht, dass die zwei vom Bundesamt für Verkehr verfügten Empfehlungen umgesetzt wurden.