Der UNRWA-Bericht liegt vor – und die Meinungen in der Politik sind noch immer geteilt. So sagt etwa Sibel Arslan von den Grünen in ihrer Funktion als Vizepräsidentin der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates: «Es ist wichtig, dass diese Gelder sofort freigegeben werden. Denn der Expertenbericht zeigt ganz klar auf, dass diese Anschuldigungen nicht erhärtet sind.»
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums tönt es anders: So sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi: «Aufgrund der vergangenen Aktivitäten der UNRWA lässt sich schliessen, dass es sehr wohl Verstrickungen mit der Hamas und anderen extremistischen Organisationen gibt.» Deshalb sei die SVP klar der Meinung, dass die Schweiz keine weiteren Gelder für die UNRWA sprechen solle.
Die SVP will der UNRWA den Geldhahn also definitiv zudrehen. Diese Meinung vertreten auch einige Politikerinnen und Politiker der Mitte und der FDP. Sie erwähnen die umstrittenen Schulbücher, die den Nahostkonflikt einseitig zugunsten der Palästinenserinnen und Palästinenser abbilden würden. Und sie monieren, die UNRWA sei zu wenig neutral.
Bundesrat will zweiten Bericht abwarten
Genau in diesem Punkt macht der Bericht, der im Auftrag der UNO erstellt worden ist, Verbesserungsvorschläge. Diese Vorschläge begrüsst FDP-Nationalrat Laurent Wehrli, Präsident der Aussenpolitischen Kommission. Die Vorschläge seien sehr konkret. Der Bundesrat habe informiert, er wolle nun noch den zweiten Bericht in der Sache abwarten. Danach werde er den beiden Aussenpolitischen Kommissionen seinen Vorschlag unterbreiten, wie Hilfsorganisationen im Nahen Osten finanziell unterstützt.
Der Prozess dauere zu lange, sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. Die SP-Spitze hat bereits am Montag eine Petition vermailt. Wer sie unterschreibt, verlangt von Aussenminister Ignazio Cassis die Freigabe der Gelder, so bald als möglich. «Zuwarten heisst Leid und am Ende Tod und Hunger unter der Zivilbevölkerung zu akzeptieren», sagt Wermuth. Und diese habe schon genug gelitten. «Es geht um ein humanitäres Anliegen und nicht darum, für die eine oder andere Seite Partei zu ergreifen. Es geht um Menschlichkeit.»
Aeschi sieht ebenfalls, dass die Menschen im Gazastreifen Hilfe brauchen. Aber nicht von der UNRWA. «Für die Schweiz wäre es die falsche Organisation, um sie weiter zu unterstützen.» Der Bevölkerung vor Ort solle lieber über das Rote Kreuz oder andere neutrale Organisationen geholfen werden.
UNRWA als Sozialsystem des Gazastreifens
Das Problem dieser Forderung: Kein anderes Hilfswerk kann diese Hilfe stemmen. Auch nicht das immer wieder erwähnte Rote Kreuz, wie das Komitee auf eine Anfrage von Radio SRF mitteilt. Ebenso argumentiert Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, der Dachorganisation von sieben Schweizer Hilfswerken. UNRWA sei nicht einfach ein Hilfswerk – sie sei das Sozialsystem des Gazastreifens: «Das wäre so, wie wenn man von heute auf morgen die Sozialdienste, das Gesundheits- und Schulwesen der Kantone Aargau und Zürich übernehmen müsste.»
Darum plädiert auch Missbach für eine rasche Deblockierung des Schweizer Beitrages. So wie es bereits die EU und verschiedene Staaten gemacht hätten. Ob es so weit kommt, ist schwer abzuschätzen. In der politischen Debatte sind die Meinungen über die UNRWA die gleichen geblieben. Auch nach dem Bericht der unabhängigen Kommission.