Das Kandidatenkarussell für den Bundesrat drehte am Mittwoch mit besonders hohem Tempo. Gleich drei Politiker stellten sich ihren Parteien als Bundesratskandidaten zur Verfügung. Für die FDP in den Bundesrat will der Schaffhauser Regierungsrat Christian Amsler, für die CVP kandidieren die Baselbieter Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter und die Urner Regierungsrätin Heidi Z'graggen.
Drei Kandidaten – genau aus jenen drei Regionen, die schon seit Längerem Ansprüche auf einen Bundesratssitz anmelden. Vor allem in der Zentralschweiz und der Ostschweiz ist der Ruf nach einer Vertretung in der Landesregierung laut.
So sagte heute Christian Amsler: «In der langen Geschichte unseres Landes wäre es an der Zeit, dass auch ein Vertreter aus Schaffhausen Einzug in den Bundesrat halten würde.» Und auch Heidi Z’graggen betonte: «Der Kanton Uri hat in der ganzen Geschichte des Bundesstaats noch nie einen Bundesrat gestellt.»
Doch eigentlich wäre jetzt die Nordwestschweiz am Zug. Elisabeth Schneider-Schneiter weiss, dass dies ihrer Kandidatur helfen könnte: «Es merkt niemand, dass eigentlich das Baselbiet an der Reihe wäre. Die Region Nordwestschweiz ist eine der stärksten Wirtschaftsregionen überhaupt und man merkt in verschiedensten Fragen, dass unsere Stimme einfach schlecht gehört wird in Bundesbern.»
Der Kanton Uri hat in der ganzen Geschichte des Bundesstaats noch nie einen Bundesrat gestellt.
10vor10 hat mit Zahlen des Bundesamts für Statistik berechnet, wie viele Einwohner zwischen 1850 und 2017 die verschiedenen Regionen bevölkerten – und wie viele Bundesräte den Regionen proportional zur Einwohnerzahl zugestanden wären.
Die Auswertung zeigt: Alle Kandidaten, die sich für die Wahl im Dezember bisher beworben haben, stammen aus historisch untervertretenen Regionen. Neben Amsler (FDP, SH), Schneider-Schneiter (CVP, BL) und Z’graggen (CVP, UR) sind dies Karin Keller-Sutter (FDP, SG), Hans Wicki (FDP, NW) und Peter Hegglin (CVP, ZG). Wird bei der kommenden Wahl also ein jahrelanges Ungleichgewicht beseitigt? Der Politikwissenschaftler Urs Altermatt relativiert: «Einen rechtlichen Anspruch der Regionen gibt es nicht. Der Paragraph ist lediglich eine Empfehlung, alle Sprachen, Konfessionen und Regionen zu berücksichtigen.»
5 Kantone ohne Bundesrat
Über lange Zeit durfte pro Kanton maximal ein Vertreter im Bundesrat sein. Ab 1999 wurde diese Verfassungsbestimmung etwas gelockert. Nun heisst es einzig, die Landesgegenden und die Sprachregionen müssten angemessen vertreten sein.
Die Betrachtung der einzelnen Kantone zeigt denn auch Ungleichheiten: Fünf Schweizer Kantone hatten noch nie einen Bundesrat: Nidwalden, Schaffhausen, Jura, Uri und der Kanton Schwyz. Andere Stände warten schon sehr lange darauf, wieder zum Zuge zu kommen: Der Kanton Glarus ist seit 140, Basel-Land seit 121 und der Thurgau seit 83 Jahren ohne Bundesrat.
Die grösseren Kantone stellten wenig überraschend am meisten Bundesräte: Aus Zürich waren es bisher 20, aus dem Kanton Waadt 15 und aus Bern 14.
Wahl wie ein Roulette
Besonders gut lief es bisher für den Kanton Neuenburg: Dieser stellte bereits neun Bundesräte – darunter Didier Burkhalter. Für Politikwissenschaftler Urs Altermatt hat dies oft mit den besonderen Umständen rund um eine Wahl zu tun, eine solche Wahl sei manchmal wie eine Art Roulette.
In einigen Fällen lassen sich die Ungleichheiten aber erklären: «Im Fall der Nordwestschweiz kann man sagen, dass es eine gewisse Distanz gibt zwischen Basel und der übrigen Schweiz. Gerade im 19. Jahrhundert waren sich viele Basler aus dem sogenannten ‹Teig› zu vornehm, nach Bern zu gehen. Es war ein schönerer Job, Bürgermeister von Basel zu sein, als Bundesrat in Bern.»
Urs Altermatt findet den Verfassungsartikel zur Vertretung der Regionen überflüssig. Man solle mehr über die Kompetenz der einzelnen Kandidaten diskutieren statt über deren Herkunft.