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Nachrichtendienst-Gesetz Das neue Nachrichtendienstgesetz: Wohl oder Übel?

Mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz, über das am 25. September abgestimmt wird, soll der Schweizer Nachrichtendienst neue Überwachungsmöglichkeiten erhalten. Umstritten ist dabei besonders die so genannte Kabelaufklärung, die Überwachung der Kommunikation im Internet.

Mit seinen Enthüllungen beherrschte Edward Snowden vor gut drei Jahren die Schlagzeilen: Der amerikanische Geheimdienst und Partnerdienste würden SMS-Kurznachrichten sammeln, Handygespräche abhören, Internetleitungen anzapfen. Der Massenlauschangriff sorgte weltweit für Empörung.

«Die falschen Schlüsse gezogen»

Entsprechend ist Snowden heute für die Gegner des neuen Nachrichtendienstgesetzes eine Art Kronzeuge. «Dank Snowden weiss man, was überhaupt stattfindet», sagt etwa Rechtsanwalt Martin Steiger von der Digitalen Gesellschaft, die sich unter anderem für Grundrechte im digitalen Raum einsetzt. «Leider hat man im neuen Nachrichtendienstgesetz die falschen Schlüsse gezogen. Man spricht sich nicht gegen diese Massenüberwachung aus, sondern will sie auch haben.»

Teil des neuen Nachrichtendienstgesetzes ist die Kabelaufklärung – also die Auswertung des Datenaustausches im Internet, der in Glasfaserkabeln die Schweizer Grenze passiert. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) könnte so beispielsweise erfahren, worüber sich Person X unterhält, wenn sie mit Vertretern des so genannten Islamischen Staates in Syrien kommuniziert.

Kritiker wie Steiger sehen darin das Problem: Denn nicht nur Person X würde ausspioniert. Schlicht jeder könne überwacht werden. «Bei der Kabelaufklärung geht es nicht primär um Personen, es geht um Suchbegriffe. Die kennt man nicht, die sind geheim. Man weiss gewisse Dinge aus dem Ausland aus früheren Berichten. Und das geht halt sehr weit.»

Je nach Suchbegriff könnten Tausende im Raster hängen bleiben. Dabei soll nicht alles Material bis zum Nachrichtendienst: Eine erste Triage nimmt das Zentrum elektronische Operationen des Verteidigungsdepartements vor. Es soll die Informationen filtern und nur jene Daten an den NDB weiterleiten, die der NDB gesetzlich einsehen darf.

Einige Hürden

Ohnehin, so betont der Bundesrat, muss der Nachrichtendienst bei der Kabelaufklärung immer zuerst eine Genehmigung einholen: Zuerst von einem Einzelrichter im Bundesverwaltungsgericht, dann vom Verteidigungsminister, der noch seine Kollegen im Aussen- und Justizdepartement konsultieren muss. In nur rund zehn Fällen pro Jahr werde der NDB Überwachungsmassnahmen wie die Kabelaufklärung einsetzen. Die Befürworter des Gesetzes sprechen allerdings neuerdings von 20 bis 25 Fällen.

Noch mehr liege aber nur schon aus praktischen Gründen nicht drin, sagt der Westschweizer Terrorismus-Experte Jean-Paul Rouiller vom Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik. Er arbeitete einst selber beim Nachrichtendienst. «Den Luxus, die ganze Schweiz zu überwachen, kann man sich gar nicht leisten.» Dem Nachrichtendienst fehlten ganz einfach die Ressourcen für eine derartige feinmaschige Massenüberwachung.

Audio
Nachrichtendienstgesetz: Umstrittene Kabelaufklärung
aus Echo der Zeit vom 04.09.2016. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 41 Sekunden.

Und wie machen es die anderen?

Der Nachrichtendienst müsse mit der Zeit gehen, so Roullier. Denn nach Stichworten suchen kann er heute nur mit Funkaufklärung – da gehts um drahtlose Kommunikation via Satellit. Im Internet-Zeitalter sehe die Schweiz alt aus. «Wir sind im Moment der letzte Mohikaner. Staaten wie Frankreich, Belgien oder Deutschland haben die Option – die Schweiz noch nicht.»

Die anderen tun es, deshalb sollte auch die Schweiz es tun? Dieses Argument lässt Kritiker Martin Steiger nicht gelten. «Das ist ein banales und deshalb ein schlechtes Argument. In der Schweiz stehen wir für die Menschenrechte ein.» Das müsse auch in diesem Fall gelten, «nicht nur in Schönwetterreden». Kabelaufklärung kollidiere etwa mit dem Menschenrecht auf Privatsphäre und stehe im Widerspruch zur Unschuldsvermutung, denn der Nachrichtendienst ist präventiv tätig, ausserhalb von Strafverfahren.

Brauchen wir das?

Man möge die Realität zur Kenntnis nehmen, hält Terrorismus-Experte Rouiller entgegen: Geheimdienste weltweit tauschen ihre Erkenntnisse aus. «In dieser Welt ist es ein Geben und Nehmen. Und wenn man nicht in der Lage ist, etwas zu geben, wird man natürlich auch nicht viel bekommen.» Sprich: Ohne Kabelaufklärung könnte die Schweiz abgehängt werden – eben weil Partnerstaaten dieses Mittel längst einsetzen, wie die breite Öffentlichkeit spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden weiss.

Und spätestens seit da lässt sich auch trefflich darüber streiten: Brauchen wir das, weil es die anderen auch haben – oder wollen wir das erst recht nicht?

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