Verteidigungsminister Guy Parmelin hat den Abstimmungskampf zum neuen Nachrichtendienstgesetz eröffnet. Heute sei die Schweiz nicht ausreichend gegen Bedrohungen geschützt, sagte er vor den Medien in Bern.
Verdächtige können heute schon überwacht werden, allerdings nur im Rahmen von Strafverfahren. Künftig soll auch präventive Überwachung erlaubt sein: Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) soll Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen dürfen.
Überwachung streng kontrolliert
Dagegen stellt sich das «Bündnis gegen den Schnüffelstaat», eine Allianz aus Juso-, Grünen- und SP-Vertretern sowie Organisationen wie die Digitale Gesellschaft oder Grundrechte.ch.
Die präventiven Überwachungsmassnahmen müssten im Einzelfall bewilligt werden, betonte Parmelin. Zustimmen müsste jeweils neben dem Verteidigungsminister ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts. Den Vollzug würden die Geschäftsprüfungsdelegation und eine unabhängige Aufsichtsinstanz kontrollieren.
Keine Massenüberwachung geplant
Ausserdem dürften die Massnahmen nur bei Bedrohungen im Zusammenhang mit Terrorismus, verbotenem Nachrichtendienst, Proliferation (Weitergabe von Massenvernichtungswaffen) und Cyberattacken auf kritische Infrastrukturen angewendet werden. Bei Gewaltextremismus wären sie nicht erlaubt. Das Gesetz gewährleiste aber das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit, so Parmelin.
Wie sein Vorgänger Ueli Maurer geht Guy Parmelin davon aus, dass der Nachrichtendienst in rund zehn Fällen pro Jahr von den neuen Kompetenzen Gebrauch machen würde. Eine Massenüberwachung wie in anderen Ländern sei nicht vorgesehen, sagte Parmelin.
Abwehr von Cyberangriffen
Die Gegner des Gesetzes ziehen aufgrund von Erfahrungen im Ausland in Zweifel, dass sich mit Überwachungsmassnahmen überhaupt Anschläge verhindern lassen. Oft stellt sich nach Anschlägen heraus, dass Täter auf dem Radar der Nachrichtendienste waren. Dazu sagte NDB-Chef Markus Seiler, es gebe etwas zwischen «alles verhindern» und «nichts verhindern».
Das Gesetz erlaubt dem Nachrichtendienst auch, in ein Computersystem im Ausland einzudringen, um Informationen zu beschaffen oder das System zu stören. Heute ist das nur mittels Notrecht möglich. Mit dem neuen Gesetz wäre der Nachrichtendienst des Bundes weniger abhängig von ausländischen Partnerdiensten, stellte Parmelin fest. Das neue Gesetz schaffe aber auch die Grundlage für eine enge Zusammenarbeit der Nachrichtendienste in Europa, sagte Seiler.
Umstrittene Kabelaufklärung
Zu den umstrittenen Neuerungen gehört auch die Kabelaufklärung. Diese würde es dem Nachrichtendienst erlauben, grenzüberschreitende Signale aus Internetkabeln zu erfassen. Damit könnte ins Visier des Nachrichtendienstes geraten, wer bestimmte Begriffe googelt oder in E-Mails erwähnt.
Die Gegner monieren, der Nachrichtendienst könne damit «Mini-NSA spielen». Seiler sagte dazu, das sei eine falsche Vorstellung. Der Nachrichtendienst würde nicht breit suchen. Und bearbeitet werden dürften nur jene Informationen, die den vorgängig definierten Suchbegriffen entsprächen.
«Beste Werbung für das Gesetz»
Parmelin wies darauf hin, dass das Parlament dem Gesetz deutlich zugestimmt habe. Auf die Frage, wie er den Widerstand des Islamischen Zentralrates gegen das Nachrichtendienstgesetz werte, witzelte er: «Das ist die vielleicht beste Werbung für das Gesetz.» Das Stimmvolk entscheidet am 25. September.