Wirkt das Medikament wirklich? Droht eine Überdosis? In der Notfall-Kindermedizin der Spitäler müssen sich die Ärzte auf Erfahrungswerte verlassen. Hier sind sogar 90 Prozent der Wirkstoffe nur für Erwachsene, aber nicht für Kinder zugelassen.
«Das ist ein sehr grosses Problem», sagt Christoph Aebi, Chefarzt an der Kinderklink des Inselspitals Bern. Man sei nie ganz sicher, ob die Dosierung wirklich richtig sei.
Offiziell zugelassene Medikamente für Kinder wären auch wichtig für die rechtliche Absicherung der Ärzte. Angehörige könnten einen Kinderarzt theoretisch verklagen, wenn es bei nicht zugelassenen Medikamenten zu schweren Nebenwirkungen kommen würde.
Daniel Albrecht ist beim Bundesamt für Gesundheit auf das Heilmittel-Recht spezialisiert. Ab dem neuen Jahr sollen Pharma-Herstellers sechs Monate länger vom Patentschutz profitieren, wenn sie ihre Wirkstoffe auch für den Kindergebrauch erforschen und die Zulassung erhalten.
Das sei ein wichtiger Anreiz für die Industrie. «Auf den ersten Blick tönen 6 Monate nach wenig», sagt Albrecht, «aber das kann für ein Unternehmen bei einem umsatzstarken Medikament einen Mehrgewinn von bis zu einer Milliarde bedeuten».
Eine Milliarde mehr Umsatz sei die Ausnahme, entgegnet der Verband der Schweizer Pharmahersteller. Der Kindermedikamente-Markt sei klein und wenig profitabel. Dennoch sei die Verlängerung des Patentschutzes wirkungsvoll.
«Es sind in den letzten Jahren bereits mehr Kindermedikamente entwickelt worden», sagt Sara Käch vom Verband Interpharma. Denn in der EU wurde schon 2007 eine ähnliche Regelung wie jetzt in der Schweiz eingeführt. «Davon profitiert auch die Schweiz».
Kinder haben Recht auf verbesserte Therapie
Für die Erforschung und Zulassung von Medikamenten für die Kleinsten braucht es allerdings auch praktische Studien. Doch kann man ethisch vertretbar überhaupt Medikamente an Kindern testen?
«An gesunden Kindern kaum», meint Chefarzt Christoph Aebi. An kranken Kindern aber sehr wohl. «Auch Kinder haben ein Recht auf verbesserte Therapien».
Neue Medikamente werden zuerst immer an Erwachsenen getestet. Erst dann an Kindern, in gross angelegten internationalen Studien.