Darum geht's: Forschende haben über mehr als sieben Jahre vor der Küste Mauritius' einen Pottwal-Clan gefilmt. Mit den insgesamt 127 Unterwasservideos hat man das Verhalten der 30 Pottwale untereinander analysiert. Mit dem bisher noch unveröffentlichten Videomaterial haben die Forschenden unter der Leitung des Ozeanografen François Sarano die Beweise erhalten, dass in den Clans der Wildtiere die Mutter regelmässig von Ammen, einem anderen stillenden Weibchen, ersetzt wird. Die französische Tageszeitung «le Parisien» hat darüber berichtet.
Das sind die Hintergründe: Warum die Mütter ihre Jungtiere überhaupt verlassen, erklärt Meeresbiologin Tamara Narganes Homfeldt gegenüber SRF News so: Die Leibspeise der Pottwale sind Tintenfische – diese leben in der Tiefsee. Das Problem: «Die Jungtiere können meist noch gar nicht so tief tauchen», so die Meeresbiologin von der Walschutzorganisation Whale and Dolphin Conservation. Damit sich die Mutter ernähren könne, müsse also jemand auf die Jungen aufpassen.
Die Wichtigkeit der Amme: Die Pottwal-Amme, die gemäss Narganes Homfeldt nur ein Junges mitstillt, kann sogar eine noch wichtigere Rolle im Leben des Babys einnehmen als die Mutter. Zum Beispiel sei ein Baby immer mit demselben Weibchen zusammen gewesen, berichtet Sarano der Zeitung. Er habe vermutet, dass es sich um die Mutter des kleinen Pottwals handele. Nach einer genetischen Analyse habe sich aber herausgestellt, dass es eine Amme gewesen sei, die die Rolle der Mutter übernommen habe, um es aufzuziehen.
So (un)gewöhnlich ist dieses Verhalten: Meeresbiologin Narganes Homfeldt sagt, ein solches Verhalten sei bei sozial komplexeren Tierarten «normal». Das existiere auch bei Menschen, Menschenaffen, Walen und Delphinen.
Die Pottwal-Babysitterin: Schliesslich erfassten Sarano und sein Team auch die Existenz einer Babysitterin, die keine Milch gibt. Seit 2011 habe ein Pottwal-Weibchen alle 20 Neugeborenen des Clans beaufsichtigt, so Sarano. Sie sei diejenige gewesen, der die Kleinen anvertraut wurden, wenn die Mütter mehrere Stunden in der Tiefe auf Jagd gingen. Sie habe mit ihnen gekuschelt, sie vor Raubtieren geschützt und bei Streitereien getrennt. Laut dem Ozeanografen können sich die Pottwale dank dieser Ammen und Babysitterinnen «auf die Solidarität des Clans verlassen, um in einer relativ feindlichen Welt gegenüber Raubtieren zu überleben».
So kommunizieren Pottwale: Pottwale kommunizieren über eine Abfolge von Klicklauten. Hierbei wird die jeweilige Botschaft durch das Tempo, die Dauer und den Rhythmus dieser Klick-Abfolgen bestimmt – eine Art Standardsätze wie «mir geht's gut» oder «ich habe Hunger». Innerhalb einer Pottwal-Familie bleibt die Klick-Abfolge immer gleich.
Jüngst hat ein US-Forschungsteam ihre Analyse der Klick-Sequenzen vorgestellt. Die Forschenden entdeckten, dass die Pottwale die Rhythmen der Sequenzen kontinuierlich verändern und miteinander kombinieren können. Damit stecke wohl viel mehr Informationen im Gesagten als bisher angenommen, sagt Narganes Homfeld: «Das macht es zu einer viel komplexeren Kommunikation.» Was die Wale aber inhaltlich genau miteinander besprächen, bleibe auch für die Meeresbiologinnen und Ozeanforscher weiterhin «ein Mysterium».