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Neue Corona-Massnahmen Das Virus bringt den Föderalismus an seine Grenzen

Letzten Freitag erst hatte der Bundesrat den «sorglosen» Kantonen ein Ultimatum gestellt. Dass er am Dienstag bereits wieder vor die Medien tritt und ein weiteres Massnahmen-Paket verkündet, dürfte so nicht geplant gewesen sein.

Zwei Gründe haben den Bundesrat zu diesem forschen Auftreten bewogen: Die Gespräche der Bundespräsidentin und des Gesundheitsministers mit den Kantonen in den letzten drei Tagen dürften nicht in jedem Fall zur Zufriedenheit von Sommaruga und Berset ausgefallen sein.

Und: Die epidemiologische Lage hat sich nochmals verschärft. Am letzten Freitag hatte es noch nach einer Stabilisierung der Infektionszahlen auf hohem Niveau ausgesehen, jetzt muss man bereits von einer erneuten Zunahme der Zahlen sprechen. Also genau das Szenario, vor dem Berset am Freitag gewarnt hatte.

Föderalismus kommt an seine Grenzen

Neu am Auftritt vom Dienstagabend war, dass der Bundesrat das Massnahmen-Paket offen kommuniziert, bevor er es den Kantonen in die Vernehmlassung gibt. Das kann eigentlich nur heissen: Berset und Sommaruga wollen dieses Paket am Freitag beschliessen, egal was die Kantone dazu sagen.

Auch wenn die Besondere Lage gemäss Epidemiengesetz dem Bundesrat diese Kompetenz gibt (er muss die Kantone anhören, aber er muss ihre Meinung nicht zwingend berücksichtigen), so ritzt er damit doch föderalistische Prinzipien und Gewohnheiten. Aber das ist wohl auch nur folgerichtig, denn die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass das Virus mit seinem Tempo und seiner Unberechenbarkeit den Föderalismus an seine Grenzen bringt.

Anhörung der Kantone nur pro forma

Immerhin garniert der Bundesrat sein vorgesehenes Massnahmenpaket mit zwei «Zückerchen»: Ein süsses, indem er die finanziellen Entschädigungen für die am meisten betroffenen Branchen bereits jetzt prüfen will, bevor das Paket überhaupt abgesegnet ist. Ein bitteres, indem er den Kantonen jetzt schon mitteilt, was die nächsten Schritte sein werden, wenn sich die Lage weiter verschlechtert. Was der Bundesrat hier als «Planungssicherheit» verkauft, ist nichts anderes als die Bekräftigung, dass die Kantone auch beim nächsten Schritt höchstens pro forma angehört werden sollen. Womit auch die Besondere Lage eigentlich nur noch pro forma ist.

Wenn es damit gelingt, in den nächsten Wochen, und vielleicht sogar noch vor den Festtagen, die epidemiologische Lage wieder in den Griff zu bekommen, dann dürften sich nur die hartgesottenen Föderalisten daran stören.

Urs Leuthard

Leiter Bundeshausredaktion

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Seit Sommer 2020 ist Urs Leuthard Leiter der Bundeshausredaktion von Fernsehen SRF. Bereits seit 2002 moderiert er das «Abstimmungsstudio» und analysiert Wahlen und Abstimmungen. Bis 2008 war er Moderator und Redaktionsleiter der «Arena», danach wechselte er zur «Rundschau», bevor er 2012 die Redaktionsleitung der «Tagesschau» übernahm.

Hier finden Sie weitere Artikel von Urs Leuthard und Informationen zu seiner Person.

Tagesschau, 08.12.2020, 19:30 Uhr

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