Vor rund zwei Wochen schwirrte den meisten der Kopf, so kompliziert waren die neuen Regeln, die der Bundesrat vorschlug. Das war auch dem Bundesrat bewusst. Und so ist es keine Überraschung, dass er heute Vereinfachungen beschloss. Auch dass diese eher zu mehr Freiheiten führen würden, lag auf der Hand. Für Veranstaltungen mit Covid-Zertifikat keine Einschränkungen mehr vorzuschreiben, tönt zum Beispiel logisch. Wer geimpft oder genesen ist, ist gut geschützt vor schweren Krankheitsverläufen. Und von negativ Getesteten sollte auch nur ein geringes Risiko ausgehen.
Das Ausmass erstaunt
Das Ausmass der Lockerungen erstaunt aber dennoch. Zurzeit ist erst knapp ein Drittel der Bevölkerung voll geimpft und damit höchstwahrscheinlich auch vor der Delta-Variante geschützt, die zum Beispiel in Grossbritannien oder in Lissabon grosse Sorgen bereitet. Eine erste Impfdosis nützt gegen diese Variante weniger als gegen andere. Da fragt sich zum Beispiel, warum es für Sport in Innenräumen weder Abstand noch Maske brauchen soll. So kann man also auf dem Crosstrainer nebeneinander maskenlos keuchen, solange die Puste reicht, während es für den Gang zur Toilette im Restaurant die Maske braucht. Logik geht anders.
Gesundheitsminister Alain Berset gesteht ein, mit solchen Lockerungen Risiken einzugehen. Kalkulierte Risiken seien es, sagt er, und diese einzugehen, sei nicht neu. Tatsächlich ist der Bundesrat mit seinen grossen Lockerungsschritten in letzter Zeit gut gefahren. Auch die letzte Öffnung hat sich nicht negativ ausgewirkt, das ist nun, mit dem nötigen zeitlichen Abstand, klar zu sehen.
Schönes Wetter und die Vernunft
Dabei geholfen haben das schöne Wetter und der Impffortschritt. Und wohl auch die Vernunft all jener, die sich kurz vor dem Impfen nicht noch anstecken wollten und darum trotzdem vorsichtig blieben. Insofern überlässt der Bundesrat auch mit den neusten Lockerungen der Bevölkerung viel Verantwortung. Wir haben es weitgehend selber in der Hand. Jene, bei denen gesundheitliche Gründe nicht dagegen sprechen, können sich impfen lassen. Und bis sie maximal geschützt sind, freiwillig kritische Orte meiden und Maske tragen. Ob diese Rechnung des Bundesrates aufgeht, werden wir spätestens sehen, wenn die Sommerferien zu Ende sind und sich zeigen wird, wie gut sich Vernunft und Vergnügen vereinbaren liessen.