Endlich – Kantone und Bund haben sich gefunden, haben sich – zusammen mit der Wissenschaft – auf schweizweit einheitliche Regeln oder Empfehlungen beim Maskentragen, bei privaten Veranstaltungen und beim Homeoffice verständigt.
Damit soll das «Gstürm», wer was macht und wer für was zuständig sei, aufhören, meinte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga an der Medienkonferenz und verhehlte damit nur schlecht ihren Unmut über die zögerliche und wenig koordinierte Haltung der Kantone. Dass der Bundesrat in den letzten Tagen und Wochen nur zu gern darauf hingewiesen hatte, dass die Kantone im Lead seien und sich selbst damit zu lange aus der Verantwortung genommen hatte, verschwieg sie allerdings auch.
Eine Kakophonie
So sehr die koordinierten Massnahmen zu begrüssen sind, so sehr ist zu befürchten, dass damit das «Gstürm» eben nicht beendet ist. Während sich im Nachgang des Lockdowns im März alle Parteien dem Ernst der Lage bewusst waren und dem Bundesrat mit einer gemeinsamen Medienmitteilung den Rücken gestärkt hatten («Politische Parteien stehen geeint hinter dem Bundesrat»), ging heute die Kakophonie schon Minuten nach der bundesrätlichen Medienkonferenz los.
Die FDP monierte, Gesundheitsminister Alain Berset müsse «die Lage endlich in den Griff bekommen». Die SVP kritisierte die «drastischen Massnahmen» und beklagte sich, dass wir jetzt den «Preis für die Laissez-faire-Behördenpolitik linker Städte» zu bezahlen hätten. Wohlwissend, dass die ländlichen, konservativen Kantone Appenzell Innerrhoden, Schwyz und Wallis zurzeit zu denjenigen mit den höchsten Infektionsraten zählen – vom Superspreader-Anlass beim Jodler-Konzert in Schwyz ganz zu schweigen. Und der Gewerbeverband wehrte sich bereits präventiv in der «Sonntagszeitung» gegen eine Maskenpflicht in kleinen Läden, als ob dort das Coronavirus weniger zirkulieren würde.
Wirkung der Massnahmen zeigt sich später
Es braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, dass dieses «Gstürm» um Sinn oder Unsinn der beschlossenen Massnahmen in den nächsten Wochen eher zu- als abnehmen dürfte.
Denn ob die Massnahmen von Bund und Kantonen greifen, wird sich wegen der Inkubationszeit frühestens in zehn Tagen bei den Neuinfizierten, in zwei bis vier Wochen bei den Hospitalisierungen und in etwa sechs Wochen auf den Notfallstationen zeigen. Bis dann dürften die Zahlen nur in eine Richtung zeigen: nach oben.
Die Zivilgesellschaft ist gefordert
Die Bekämpfung der ersten Welle der Corona-Epidemie im März war nur erfolgreich, weil die Bevölkerung in grossen Teilen hinter den Behörden gestanden und die Massnahmen getragen und umgesetzt hatte.
Wenn der Kampf gegen die zweite Welle, in der wir uns nach Ansicht der meisten Fachleute jetzt befinden, auch gelingen soll, dann braucht es wieder ein Zusammenstehen, eine Solidarität auch gegenüber den verletzlichen und gefährdeten Menschen. Wenn das die politischen Akteure schon nicht hinbringen, dann muss wenigstens die viel beschworene Zivilgesellschaft einspringen – also wir alle. Damit das «Gstürm» eben wirklich aufhört.