Vom albanischen Hafen Durres bis zum italienischen Brindisi sind es gerade einmal 107 Seemeilen. Ein paar Stunden im Boot, dann ist man in Italien. Bereits liess Albaniens Integrationsminister Klajda Gjosha vor einigen Tagen verlauten, man stelle einen wachsenden Flüchtlingsandrang fest, wegen der nun geschlossenen Balkanroute.
Eine «grosse Zahl» syrischer Flüchtlinge warte derzeit darauf, nach Albanien gelassen zu werden, sagte der Integrationsminister. Eine genaue Zahl nannte er allerdings nicht. So die offizielle Rhetorik.
Vieles hängt von der Türkei ab
Zeichnet sich da eine neue Fluchtroute ab, via Albanien, Italien Richtung Schweiz? Für Stefan Frey von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist die neue Route gesetzt und die logische Folge der EU-Flüchtlingspolitik. Geografie-Professor Etienne Piguet von der Universität in Neuchâtel ist hingegen zuversichtlich, der Vertrag mit der Türkei werde verhindern, dass weiterhin so viele Flüchtlinge nach Europa strömten. Damit werde die Route via Albanien kein grosses Thema werden.
Im Moment scheint die Türkei allerdings tatsächlich etwa 40 Prozent der Boote umzudrehen, während ungefähr 60 Prozent die griechische Insel Lesbos erreichen, meint der Schweizer Michael Räber von der privaten Hilfsorganisation schwizerchrüz.ch . Es bleibt offen, wie durchlässig die Ägäis künftig sein wird.
Die Schweiz als Transit- oder Zielland?
«Sollte sich die Albanien-Route etablieren, werden die Italiener diese Menschen nicht registrieren. Und durchreichen wie in der Vergangenheit auch schon», sagt Frey. Um dann schnurstracks in die Schweiz zu reisen, um hier Asyl zu beantragen? «Die meisten wollen wohl weiter nach Deutschland oder Frankreich. Aber wenn die Flüchtlinge in der Schweiz Antrag stellen, dann werden diese auch hier behandelt und nicht durchgewunken.»
Das Bundesamt für Migration will nichts zu einer möglichen neuen Fluchtroute über Albanien sagen. Eine verlässliche Prognose sei nicht möglich, weder zu den Migrationsrouten, noch zur Anzahl der Flüchtlinge.
Notfallkonzept steht
Und was, wenn die Asylgesuche stark steigen würden? Das Amt prüfe weitere Unterbringungsmöglichkeiten innerhalb oder in der Nähe von bestehenden Asylzentren – auch solche, die nicht den üblichen Anforderungen an Grösse und Infrastruktur entsprächen.
Ebenfalls steht ein Notfallkonzept, sollte der Zustrom von Asylsuchenden deutlich stärker als prognostiziert zunehmen. Das Konzept sieht vereinfachte Verfahrensbestimmungen und mehr Unterbringungsmöglichkeiten vor.
In welcher Anzahl sie kommen, via welchem Weg sie kommen, ist schwierig vorauszusagen. Nur in einem Punkt sich praktisch alle einig: Der Migrationsdruck wird hoch bleiben. Und Stefan Frey von der Flüchtlingshilfe sagt: «Wenn nichts gegen die Fluchtursachen unternommen wird, werden wir über Jahre mit hohen Flüchtlingszahlen rechnen müssen.»