Der günstigste Anbieter erhält den Zuschlag. Dies war bisher oft die Devise bei staatlichen Aufträgen. Was zumindest kurzfristig gut für die Kasse von Bund, Kantonen und Gemeinden ist, kann für Umwelt oder Gesellschaft nachteilig sein.
Das alte Beschaffungsrecht basierte auf den Werten der 1990er-Jahre, erklärt Jurist Marc Steiner. «Damals galt Marktöffnung, Wettbewerb, Geld und sonst nichts. Das neue Recht sagt, dass wir einen Schritt zur Vollkostenrechnung machen müssen.»
Vom Preis- zum Qualitätswettbewerb
Ein Beispiel: Eine Gemeinde schreibt den Auftrag für die Müllabfuhr öffentlich aus. Mehrere Transportunternehmen bewerben sich. Bisher hat meist das günstigste Unternehmen den Auftrag erhalten. Wenig Beachtung wurde dabei zum Beispiel dem Umstand geschenkt, dass dieses günstige Unternehmen mit alten Diesellastwagen unterwegs ist.
Das neue Beschaffungsrecht legt einen grösseren Wert auf Nachhaltigkeit. Beim Beispiel Müllabfuhr könnte es also sein, dass nun das Unternehmen den Auftrag erhält, das zwar teurer ist, aber dafür mit umweltfreundlichen Elektrolastwagen die Abfallsäcke einsammelt.
Im Gesetz steht, dass nicht mehr das «wirtschaftlich günstigste», sondern das «vorteilhafteste» Angebot den Zuschlag erhält. «Dadurch wird klar sichtbar, dass das eine Frage der Qualität und nicht primär des Preises ist», erklärt Marc Steiner.
Es geht dabei nicht nur um Umweltfragen. Auch soziales Engagement kann bei öffentlichen Aufträgen berücksichtigt werden. Ein Bauunternehmen, das Sozialhilfeempfängerinnen eine Stelle gibt, hat demnach eine bessere Chance auf einen öffentlichen Auftrag als ein Konkurrent, der seine Mitarbeitenden zu Tieflöhnen anstellt.
Chinesische Pflastersteine als Stein des Anstosses
Das neue Beschaffungsrecht wurde auf Bundesebene im letzten Jahr eingeführt. Verschiedene Kantone überarbeiten aktuell ihre Gesetze. Die Kantone wollen ihre Regeln ausserdem harmonisieren und denjenigen des Bundes angleichen. Dazu gibt es eine neue interkantonale Vereinbarung, der bisher die Kantone Aargau, Appenzell Innerrhoden und Thurgau beigetreten sind. Weitere Kantone sollen in diesem Jahr folgen.
Die neuen Regeln sind eine Reaktion auf Entscheidungen, die bei vielen für Kopfschütteln sorgten. So liegen an vielen Orten in der Schweiz Pflastersteine aus China. Im Bundeshaus wurden Fenster aus Tschechien verbaut. Kampfstiefel für die Schweizer Armee wurden unter fragwürdigen Bedingungen in Rumänien hergestellt. Solche Fälle soll es in Zukunft weniger geben, da nun nicht mehr der Preis das alleine bestimmende Kriterium ist.