Die Kür zum Nationalbankchef kommt nicht überraschend für Martin Schlegel . Der 47-jährige Zürcher hat eine Bilderbuch-Karriere hingelegt: Gleich nach dem Wirtschaftsstudium stieg er als Praktikant in der SNB-Forschungsabteilung ein. Sein damaliger Chef war Thomas Jordan. Also jener Mann, in dessen Fussstapfen Schlegel nun als SNB-Chef tritt. Den Weg nach ganz oben beschritt er umsichtig, Schritt um Schritt.
Karriere mit Nebengeräuschen
Wichtige Stationen waren: Leiter der Abteilung Devisen und Gold, dann Leiter der SNB-Niederlassung in Singapur. Er übernahm einen Lehrauftrag für Geldpolitik an der Uni Basel, profilierte sich als Experte für Projekte des Internationalen Währungsfonds. Öffentlich bekannt machte ihn seine Wahl zum Vizepräsidenten des dreiköpfigen SNB-Direktoriums vor zwei Jahren. Der Entscheid irritierte. Denn in dem mächtigen Führungsgremium sass schon länger Andréa Maechler, und zwar als erste Frau überhaupt. Sie wurde bei der Vize-Wahl übergangen, zog die Konsequenzen und kündigte.
Seither gilt Schlegel als Top-Favorit für die Jordan-Nachfolge. Und fragte man ihn in letzter Zeit, ob er für das Amt zur Verfügung stehe, antwortete er mit unbewegter Miene: «Das kann ich nicht kommentieren.» Er wusste, dass er der aussichtsreichste Anwärter für das Spitzenamt war.
CS-Krise als Bewährungsprobe
Bereits kurz nach seiner Wahl zum Vize-Chef vor zwei Jahren kam die erste Bewährungsprobe: Die Credit Suisse geriet ins Schlingern. Martin Schlegel musste sich als Krisenmanager beweisen. Denn er war innerhalb der SNB-Führung dafür zuständig, über die Stabilität des Finanzplatzes zu wachen. Es war sein Team, das die CS auf dem Höhepunkt der Krise mit Nationalbank-Milliarden über Wasser hielt.
Im März 2023 dann beorderte der Bundesrat die CS in die Arme der Konkurrentin UBS. Im Gespräch mit SRF bezeichnete Schlegel die CS-Notübernahme durch die UBS als «beste Lösung» unter ausschliesslich «schlechten Lösungen»: «Schauen Sie, die Behörden haben schon seit mehreren Monaten an verschiedenen Lösungen gearbeitet. Wir haben wirklich alles gedreht und gewendet. Und der Bund ist zum Schluss gekommen: dass das die beste Lösung ist, auch wenn man sagen muss, es ist die beste Lösung gewesen eigentlich nur noch unter schlechten Lösungen.» Auch künftig wird der neue SNB-Chef schwierige Entscheidungen treffen müssen.
Der ewige Praktikant
So muss er zum Beispiel festlegen, ob die Nationalbank die Zinsen in nächster Zeit mutig weiter senken soll, oder sie damit die Preisstabilität gefährdet. Denn: Es ist das Mandat der Nationalbank, die Preise in der Schweiz möglichst stabil zu halten. Die Aufgabe wird dem neuen SNB-Chef viel Energie abverlangen, sodass für Familie und sein Hobby Musik wenig Zeit bleiben dürfte. Schlegels Gattin ist die Ökonomin Nicole Brändle, seit kurzem Direktorin des Branchenverbands Hotellerie Suisse. Die beiden haben zwei Töchter und einen Sohn.
Privat gilt Schlegel als nahbar und unkompliziert. Bis vor einigen Jahren spielte er Bassgitarre in Rockbands. Und zwischendrin blitzt in Interviews sein Humor auf: Der Zeitung NZZ sagte er im Rückblick auf seine Anfänge bei der SNB: «Ich war der Praktikant von Thomas Jordan». Schelmisch schob er nach. «Und ich bin es irgendwie immer noch».
Vor den Medien nahm er darauf heute Bezug und sagte: «Ich bin in die Nationalbank eingestiegen als Praktikant. Das ist mittlerweile sehr, sehr bekannt.» Martin Schlegel signalisiert damit: Er ist stets bereit dazuzulernen.