Es ist ein Meilenstein für die Gleichberechtigung von Menschen mit einer Behinderung. Kein anderer Kanton in der Schweiz kennt ein ähnliches Gesetz, wie jenes, das in Basel-Stadt dieses Jahr in Kraft getreten ist.
Das neue Rahmengesetz fordert, dass Behinderte in sämtlichen Lebensbereichen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Mit anderen Worten: Angebote, die sich an die gesamte Bevölkerung richten, sollen auch für alle zugänglich sein. In die Pflicht genommen werden nicht nur öffentliche Institutionen, sondern auch private.
Es ist ein gesetzlicher Auftrag, aber keine theoretische Angelegenheit. Es geht um Menschen.
Die Umsetzung des Gesetzes begleitet und überwacht eine eigens dafür gegründete Fachstelle. «Unsere Hauptaufgabe sehe ich darin, für mehr Sensibilität zu sorgen», sagt ihr Leiter Michael Wilke. Damit ein Umdenken stattfindet, müsse man vor allem miteinander reden. Statt stur auf eine Maximalforderung zu pochen, gehe es viel eher darum, Kompromisse zu finden. Was das in der Praxis bedeutet, erklärt Wilke anhand von drei Beispielen.
Ein Quartiercafé im 1. Stock ohne Lift: Der Einbau eines Lifts wäre wohl eine zu grosse finanzielle Belastung, sagt Wilke. Hier wäre es laut dem neuen Gesetz entscheidend, ob Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, auf andere Cafés in der Umgebung ausweichen können. «Künftig wäre es aber wichtig, dass man sich vor dem Bau eines Cafés überlegt, ob und wie alle Gäste in das Café hereinkommen und das entsprechend plant», sagt Wilke.
Komplizierte Abstimmungsunterlagen: Manche Menschen sind vom Erklärtext schlicht überfordert. Dabei sei die politische Beteiligung wichtig, sagt Wilke. Bevor die Unterlagen verschickt werden, sollte der Text jemand gegenlesen, der kognitiv etwas eingeschränkt ist. «So kann diese Person Hinweise geben, wo etwas einfacher und besser verständlich ausgedrückt werden sollte», sagt Wilke.
Neue Abfalleimer: In Basel sollen die alten Mistkübel ersetzt werden durch Abfalleimer mit integrierter Presse. Diese müssen jedoch mit einem Handgriff oder mit einem Fusshebel geöffnet werden. Für jemanden im Rollstuhl oder Blinde ist das keine leichte Aufgabe. «Statt alle, könnte man nur jeden vierten Abfalleimer mit dem neuen Modell ersetzen», plädiert Wilke. So gäbe es immer noch genügend Mülleimer, die auch Menschen im Rollstuhl benutzen könnten.
Das sagt eine Betroffene zum neuen Gesetz
Dass Menschen mit Behinderungen nun einen rechtlichen Anspruch geltend machen können, sei wichtig, findet Tosca Schneider. Sie hat für dieses Anliegen bereits im Rahmen der kantonalen Volksinitiative gekämpft. Die gesetzliche Verankerung verleihe dem Recht auf Teilhabe, Gleichstellung, Wahlfreiheit und der Bewahrung der Würde des Individuums mehr Gewicht, findet sie. Zudem sende es ein Signal an die ganze Gesellschaft.
Für die eigenen Anliegen einzustehen und sich zu wehren, braucht unglaublich viel Mut und Durchhaltevermögen.
Schneider, die selbst mit einer psychischen Beeinträchtigung lebt, setzt sich unter anderem mit der Organisation Behindertenforum dafür ein, dass Menschen mit Beeinträchtigung ein selbstbestimmtes Leben führen können. Persönlich setze sie besonders viel Hoffnung in die neue Fachstelle. «Für die Umsetzung des Gesetzes ist der persönliche Austausch und die Vernetzung entscheidend», glaubt Schneider.
Zudem haben Menschen wie sie nun mit der neuen Fachstelle eine direkte Ansprechpartnerin. Das sei wichtig, so Schneider, denn: «Sich zu wehren und in Würde für die eigenen Anliegen einzustehen, braucht unglaublich viel Mut und Durchhaltevermögen.»