Der Hintergrund:
- Keine Gebührengelder mehr für Radio und Fernsehen – darüber stimmen wir im kommenden März ab.
- Falls die No-Billag-Initiative angenommen würde, dann müssten sich alle Radio- und Fernsehsender künftig vollständig am Markt finanzieren.
Vor über 50 Jahren flimmerten in der Schweiz die ersten Fernsehspots über den Bildschirm. Heute erzielt die SRG mit Werbung und Sponsoring rund 300 Millionen Franken pro Jahr. Allein die Informationssendungen in Radio und Fernsehen kosten aber doppelt so viel.
Ein Programm, wie wir es bislang kennen, (...) mit Werbung zu finanzieren, ist unwahrscheinlich.
Jarren: «Fehlende Gebühren kaum mit Werbung kompensierbar»
Für den Zürcher Publizistik-Professor Otfried Jarren, der auch Präsident der Eidgenössischen Medienkommission ist, ist deshalb die Rechnung schnell gemacht: «Ein Programm, wie wir es bislang kennen, mit dem Anspruch hohe Informationsanteile zu haben, alle Landesteile zu spiegeln, und wechselseitige Berücksichtigung zu ermöglichen. Ein Programm mit Korrespondenten, mit einer Vielzahl an regionalen Aktivitäten – das alles mit Werbung zu finanzieren, ist unwahrscheinlich.»
Deshalb brauche es die Gebührengelder auch in Zukunft. Umso mehr, als es für die Medien immer schwieriger werde, überhaupt noch an Werbegelder zu kommen. Ein grosser Teil der Werbung gehe weg vom Broadcast, und auch weg von den allgemeinen Massenmedien oder den Tageszeitungen – hin zum Netz. «Stichwort sind dann Facebook und die Social-Media-Aktivitäten.»
Deshalb sei es unrealistisch zu erwarten, dass die SRG bei einem Ja zu «No Billag» die fehlenden Gebühren durch mehr Werbeeinnahmen kompensieren könne, argumentiert Medien-Professor Jarren.
Schwald: «80 Prozent des SRG-Angebots weiterhin realisierbar»
Auch für Alain Schwald vom «No Billag»-Initiativkomitee ist klar, dass eine SRG ohne Gebühren nicht mehr das gleiche Programm wie heute ausstrahlen könnte. Man müsste sich fragen, was man weiter betreiben könne bei der SRG, und was nicht. «Man muss sicher auch abspecken, so zum Beispiel bei der Unterhaltung. Da hat man Sparpotenzial», sagt Schwald.
Ich glaube immer noch, dass die SRG langfristig 70 bis 80 Prozent von dem, was sie heute macht, auch in einem gebührenfreien Umfeld noch machen kann.
Ein reduziertes Angebot könnte die SRG auch weiterhin bieten, meint Schwald. Zu den am meisten geschauten Sendungen gehöre beispielsweise die Tagesschau. «Mit solchen Sendungen kann man die Leute schon bei der Stange halten. Ich glaube immer noch, dass die SRG langfristig 70 bis 80 Prozent von dem, was sie heute macht, auch in einem gebührenfreien Umfeld noch machen kann», meint Schwald.
Zudem könnte die SRG in den bisher werbefreien Radioprogrammen künftig ebenfalls Werbung schalten: «Beim SRG-Radio bin ich überzeugt, dass man dies in einer abgespeckten Version, rein mit Werbegeldern, finanzieren kann.» Etwa drei Sender pro Sprachregion, abgesehen von der romanischen Bevölkerung, das sollte möglich sein, argumentiert der «No Billag»-Mitinitiant. Doch dieser Punkt ist umstritten.
Ehrler: «Noch mehr Werbung wäre ein Overkill»
Doch zurück zum Fernsehen: Ein deutlich ausgedünntes Fernsehprogramm würde auch weniger Publikum anziehen, und damit würden wiederum weniger Werbeeinnahmen fliessen, befürchtet der Werbemarkt-Experte Roland Ehrler.
Der Direktor des Schweizer Werbeauftraggeber-Verbandes glaubt nicht, dass die Schweizer Privat-TV-Stationen und die ausländischen Privatsender mit ihren Schweizer Werbefenstern in die Bresche springen könnten und ein Vollprogramm anbieten könnten, das genügend Zuschauer erreichen würde: «Es ist nicht abzusehen, dass sie diese Lücke füllen können. Die sind schon recht voll mit Werbung.» Diese Filme würden schon stark mit Werbung unterbrochen. «Das wäre ein Overkill mit Werbung, der nicht zielführend wäre», so Ehrler.
Dieser Meinung ist auch der Schweizer Privatfernseh-Unternehmer Dominik Kaiser, der mit seiner Sendergruppe 3+ auf populäre Unterhaltung setzt und mit Eigenproduktionen wie «Der Bachelor» oder «Bauer, ledig, sucht» beim jungen Publikum ansehnliche Einschaltquoten erzielt. Der Fernseh-Werbemarkt insgesamt würde leiden, glaubt Kaiser: «Es würde dann Kunden geben, die das Medium Fernsehen wahrscheinlich weniger oder gar nicht mehr buchen. Und damit würde das Medium Fernsehen an Bedeutung verlieren.»
Kaiser: «TV-Sender sind alle aufeinander angewiesen»
Kaiser ist deshalb überzeugt, dass die SRG nicht nur ein Konkurrent auf dem Werbemarkt sei: Im Gegenteil, seine 3+-Sendergruppe, die Schweizer Werbefenster von ausländischen Anbietern wie Pro7, Sat. 1 oder RTL und auch die privaten Regionalfernsehsender seien alle aufeinander angewiesen. Denn wenn ein Werbekunde rasch eine grosse Reichweite erzielen wolle, dann brauche er die SRG und die privaten Sender.
Wenn aber die SRG als Werbemedium wegfallen würde, dann hätten auch die privaten Sender weniger Werbeeinnahmen für die Finanzierung ihrer Programme.