- Der Nationalrat empfiehlt die No-Billag-Initiative mit 122:42 Stimmen bei 15 Enthaltungen zur Ablehnung. Auf den Gegenvorschlag der SVP für eine Senkung der Gebühren auf 200 Franken trat der Rat nicht ein.
- Die grosse Kammer folgt damit dem Ständerat, der im Frühling die Initiative einstimmig abgelehnt hatte und ebenfalls keinen Gegenvorschlag ausarbeiten wollte.
- Die Volksinitiative aus Kreisen von Jungfreisinnigen und Junger SVP will die Radio- und TV-Gebühren abschaffen.
Mit neuem Elan hat der Nationalrat heute die No-Billag-Vorlage zu Ende beraten, die in der ersten Sessionswoche nach knapp fünf Stunden unterbrochen worden war. Das aus Kreisen von Jungfreisinnigen und Junger SVP lancierte Volksbegehren zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren rückte dabei zusehends in den Hintergrund. Und zwar zugunsten eines Gegenvorschlags aus der SVP, welche die Gebühren auf 200 Franken beschränken und damit mehr als halbieren wollte.
No-Billag-Gegner warnen vor gefährlicher Konzentration
In der Debatte kreuzten Befürworter und Kritiker der heutigen SRG nochmals heftig die Klingen. Erstere bekräftigten, dass die Abschaffung der Gebühren den umfassenden Service public durch die SRG für alle Landesteile und Sprachregionen verunmöglichen und den Medienplatz Schweiz insgesamt massiv schwächen würde. Ebenso fatal sei der Gegenvorschlag der SVP für die SRG und die 34 regional konzessionierten Radio- und Fernsehstationen mit Gebührenanteil.
Die «No Billag»-Initiative sei in Tat und Wahrheit eine «No SRG»-Initiative, warnte etwa Bea Heim (SP/SO). Für sie war klar: «Die Unterstützer der Initiative wollen eine Medienlandschaft kreieren, in der die wenigen Milliardäre noch einfacher bestimmen können, was publiziert wird.»
Parteikollegin Jacqueline Badran sprach vom «langsamen Tod der Schweizer Qualitätsmedien» und warnte vor einer Medienkonzentration. Die SRG sei in vielen Regionen eine Monopolbrecherin. Anstatt über die Abschaffung oder Schwächung der SRG würden Politiker gescheiter darüber reden, wie auch der langsame Tod der anderen Qualitätsmedien verhindert werden könne.
Es geht hier nicht um die Produktion von Seife oder Kühlschränken, sondern um den Schutz der vierten Gewalt.
«Wenn wir jetzt ernsthaft erwägen, einen der letzten Träger des Schweizer Daches abzubrechen, gewinnen wird nichts, aber verlieren viel für die Zukunft», unterstrich Christoph Eymann (FDP/BS).
Balthasar Glättli (Grüne/ZH) betonte, dass der Service public der SRG neben Bildung, Unterhaltung und Information auch Sport biete : « All das kriegen Sie für 400 Franken und nicht für 3000 Franken in die Hand». Glättli forderte den Bundesrat zugleich auf, den Gebührenansatz zu korrigieren.
Wir sollten sicherstellen, dass die Gebührenfinanzierung zur Erfüllung des umfassenden Auftrags reicht und bei der Werbung masshalten.
Philipp Hadorn (SP/SO) erinnerte daran, dass der Auftrag an die Leitungen der SRG demokratisch legitimiert sei: «Auch wenn man einzelne Unterhaltungssendungen als Missgriff betrachten kann, so muss doch der Informationsauftrag gewährleistet sein. Schauen wir der SRG weiterhin auf die Finger», sagte der ehemalige Comedia-Sekretär.
SRG-Kritiker auf Halbierungskurs
Die prominenten Kritiker der SRG machten machten deutlich, was sie am Service public in der jetzigen Ausgestaltung und Finanzierung stört. «Die SRG ist zu gross, zu dominant und zu mächtig», erklärte «Weltwoche»-Chef Roger Köppel, der im Laufe der Debatte Bundespräsidentin Doris Leuthard ein Abonnement seines Blattes anbot. Köppel zeigte sich überzeugt, dass die SRG den privaten Sektor nicht nur bei Werbung, Anzeigen und Plattformen, sondern auch im Bereich des Stellenmarktes erdrücke. So biete die SRG talentierten Journalisten «staatlich geschützte Arbeitsstellen» und zahle erst noch ausgezeichnet. Er stellte sich hinter den Halbierungsvorschlag.
Ich bin nicht für eine Tabula-rasa-Lösung, möchte der SRG aber zum eigenen Wohl Grenzen setzen.
Eine offene und differenzierte Diskussion sei offensichtlich im Parlament nicht erwünscht, sagte Gregor Rutz (SVP/ZH) : Es werde total an der Realität und der Bevölkerung vorbeidiskutiert: «Es wird in die Guten pro SRG und die Bösen contra SRG eingeteilt.» Mit der Zustimmung zu seinem Gegenvorschlag für «200 Franken Zwangsabgabe» gebe es einen Mittelweg.
Auch Christian Wasserfallen (FDP/BE) bezeichnete die Initiative als zu radikal. Er will aber den Gegenvorschlag ins Auge fassen, um «die Kirche wieder ins Dorf zu stellen». Denn die SRG stehe nicht in Konkurrenz zu Youtube und Netflix. Sie erhalte die immer die gleichen Gebühren, unabhängig von den Zuschauerzahlen. Das sei nicht qualitätsfördernd.
Bundespräsidentin Leuthard verweist auf kleinen Markt
Will man die SRG schwächen oder sie ganz zerstückeln – dies sei hier die Frage, brachte Bundespräsidentin Doris Leuthard die Stossrichtung der Initiative auf den Punkt. Es sei aber nach wie vor Staatsaufgabe, der Bevölkerung eine Grundversorgung sicherzustellen. «Die SRG ist dabei unabhängig und kein Staatssender, auch wenn Sie das noch hundertmal behaupten», sagte Leuthard.
Die Initiative dagegen verkenne komplett, dass heute der Markt für elektronischen Medien in der Schweiz sehr beschränkt sei und nicht einmal im kleinen Rahmen am Markt finanziert werden könne. Erst recht nicht, wenn in vier Sprachen produziert werden müsse. Bei einer Halbierung der Gebühren könnte laut Leuthard nicht einmal mehr der Informationsauftrag sichergestellt werden. Die Plafonierung auf 1,2 Milliarden Franken sei im Gesetz über elektronische Medien bereits angedacht.
Die SRG ist unabhängig und kein Staatssender, auch wenn Sie das noch hundertmal behaupten.
Nationalrat empfiehlt «No Billag» klar zur Ablehnung
Wie bereits der Ständerat im Frühling empfahl schliesslich die grosse Kammer die radikale No-Billag-Initiative dem Volk zur Ablehnung (122:42 bei 15 Enthaltungen) und trat auf den von Gregor Rutz (SVP/ZH) präsentierten «Mittelweg» gar nicht ein (108:70 Stimmen bei zwei Enthaltungen). Die Vorlage ist damit bereit für die Schlussabstimmung. Sie kommt voraussichtlich Anfang 2018 vors Volk.