Es sind Bilder, die wir uns aus der reichen Schweiz nicht gewohnt sind. Leute stehen Schlange, um kostenlose Essensrationen in Anspruch zu nehmen. Die Coronakrise hat die Ärmsten im Land noch tiefer fallen lassen. So auch in Zürich.
Die Zürcher Nonne und Gassenarbeiterin Ariane verteilt im Zürcher Langstrassenquartier regelmässig Pakete mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln an jene, die sich die Produkte selber nicht mehr leisten können. «Für viele Menschen ist die Coronakrise noch lange nicht vorbei», sagt sie.
Obdachlose, Prostituierte, Süchtige, Arbeitslose, Sozialhilfebezüger, Papierlose – zu ihr kämen die unterschiedlichsten Leute, erzählt Schwester Ariane weiter.
Unter dem Existenzminimum
Und es seien im Laufe der Coronakrise immer mehr geworden – denn viele Hilfsorganisationen hätten ihren Betrieb heruntergefahren. Gleichzeitig seien viele Billiglohnjobs verloren gegangen. Sie zählt auf: «Es gibt viele Leute, welche die Arbeit verloren haben, Familienväter, welche ihre Familien nicht mehr durchbringen oder Working Poors, welche ganz unter das Existenzminimum gefallen sind.»
Für ihre Gassenarbeit in Zürich hat die 47-jährige Nonne den gemeinnützigen Verein Incontro gegründet. Er wird mit privaten Spenden finanziert, erhält aber auch Unterstützung von verschiedenen katholischen und reformierten Kirchgemeinden oder dem Rotary Club.
Zu Beginn der Coronakrise verteilte Incontro jeden Abend 50 Mahlzeiten – heute sind es bereits über 250. Und für die wöchentlichen Hilfspakete mit Essen und Hygieneartikeln, die von Kirchenmitgliedern gespendet werden, standen letzten Samstag 1400 Menschen an, darunter auch viele Familien.
Löcher im sozialen Netz der Schweiz
Die Coronakrise habe die Löcher im sozialen Netz der Schweiz offengelegt, sagt Ariane. «Eigentlich hat man das Grundgefühl, dass der Staat schon schaut. Aber man merkt, irgendwas funktioniert nicht. Es muss irgendwo Lücken geben.»
Eigentlich hat man das Grundgefühl, dass der Staat schon schaut. Aber man merkt, irgendwas funktioniert nicht.
Viele, die wegen Corona ins Straucheln geraten seien, kämen nicht mehr so schnell auf die Beine, glaubt Schwester Ariane. Sie stellt sich deshalb darauf ein, dass ihre Hilfspakete und Mahlzeiten auch dann noch gebraucht werden, wenn die Pandemie längst vorüber ist.