In der Schweiz beziehen 3000 Personen Nothilfe. Es sind Menschen, die in der Schweiz bleiben, obwohl ihre Asylgesuche abgelehnt worden sind und sie einen rechtskräftigen Wegweisungsentscheid haben. Entweder können sie objektiv nicht in ihr Heimatland zurück oder sie fürchten sich vor einer Rückkehr so sehr, dass sie ein Leben am Rand der Schweizer Gesellschaft vorziehen.
Sie dürfen nicht arbeiten, meist nicht einmal gratis. Sie erhalten ein Dach über dem Kopf, medizinische Grundversorgung und je nach Kanton 4 bis 12 Franken pro Tag für alles andere: Essen, Kleidung, Transport und Freizeit.
Eine Nothilfe-Bezügerin ist die 35-jährige Eritreerin Almaz Yemane. Zusammen mit anderen lernt sie Deutsch im reformierten Kirchgemeindehaus Hinterkappelen bei Bern. «Deutsch ist eine sehr schwierige Sprache.»
Vor 5 Jahren ist sie in die Schweiz geflüchtet. Ihr Asylgesuch und später ein Rekurs wurden abgewiesen. Damit hat sie keinen Anspruch mehr auf staatlich finanzierte Ausbildung und darf auch nicht arbeiten.
Laut den Schweizer Behörden wäre für Yemane die Rückkehr nach Eritrea «möglich, zulässig und zumutbar», so wie es das Gesetz verlangt. Darum wurde eine Wegweisung verfügt. Durchsetzen lässt sich diese aber nicht, weil Eritrea seine Bürger nur zurücknimmt, wenn sie freiwillig zurückreisen.
Wie Hunderttausende ihrer Landsleute hat Yemane eine gefährliche Flucht auf sich genommen und lässt sich nicht zur Rückkehr bewegen, obwohl ihre Lebensumstände in der Schweiz prekär sind.
Langzeit Nothilfe beziehen vor allem Personen aus Eritrea und Tibet. Sie würden gezwungen, ein Leben zu führen, das diesen Namen kaum mehr verdiene, empört sich Laurence Gygi, Migrationsbeauftragte der Kirchgemeinde Wohlen: «Das macht wütend und es beschämt mich, dass ich Bürgerin eines Staates bin, der Politik auf Kosten der Schwächsten betreibt.»
Alles sei rechtsstaatlich korrekt, kontert das Staatssekretariat für Migration (SEM). Viele Asylbewerber, deren Gesuch abgelehnt worden sei, würden vorläufig aufgenommen. Nur wessen Rückführung wirklich vertretbar sei, werde von der verhältnismässig grosszügigen Sozialhilfe auf die minimale Nothilfe zurückgestuft.
Verschärfte Praxis des SEM
Ziel dieser Massnahme ist, die Schweiz für Personen ohne Asylgründe weniger attraktiv zu machen und sie so zu zwingen, ihrer Ausreisepflicht nachzukommen. Für Gygi äusserst zynisch: «Ich hoffe, dass das legal ist, aber es ist nicht recht.»
Der Bund hat seine Praxis gegenüber Asylsuchenden aus Eritrea verschärft. 2017 und 18 wurden je rund 1000 Asylgesuche von Eritreern abgelehnt, ohne diese vorläufig aufzunehmen. Das sind rund fünf Mal mehr als in den Jahren zuvor.
Die meisten Betroffenen landen direkt in der Nothilfe. Viele tauchen aber ab oder versuchen im nahen Ausland ihr Glück. Früher oder später werden sie aber als sogenannte Dublin-Fälle in die Schweiz zurückgeschoben.
Gygi hofft, dass das neue Asylgesetz mit den stark verkürzten Verfahren zum Anlass genommen würde, alte Fehler zu korrigieren: «Leute, die fünf Jahre oder länger in der Schweiz sind, nie kriminell wurden, einen nicht durchsetzbaren Wegweisungsentscheid oder ein offenes Verfahren haben, sollen einen Aufenthaltstitel erhalten.»
Davon würden auch Yemane und Tesfay profitieren. Die beiden Eritreerinnen haben einen Wunsch: «Arbeiten und Deutsch lernen.»