Notschlafstellen für Obdachlose sind in Zürich, Basel, oder Genf etabliert. Langsam werden solche Notunterkünfte aber auch in kleineren Städten oder in Agglomerationsgemeinden zum Thema. Zum Beispiel in Baden, der einzigen Notschlafstelle im Aargau. Hier betreibt seit 2019 ein Verein eine Notschlafstelle mit sechs Plätzen, das Haus ist gut belegt und häufig ausgebucht. Ähnliche gut belegt ist auch die Notschlafstelle in Weinfelden im Thurgau, seit 2020 einzige Notschlafstelle im Kanton.
Wie schwierig es ist, neue Notschlafstellen zu errichten, zeigt das aktuelle Beispiel aus der Solothurner Kleinstadt Olten. Seit Jahren versucht ein Verein, hier die erste Notschlafstelle im Kanton zu errichten. Seit 2017 sucht der Verein Schlafguet nach einer passenden Lokalität. Immer wieder gab es Rückschläge. Vier Jahre später ist nun ein Haus für Obdachlose gefunden.
Eine Nacht oder länger
In einem Haus der Stiftung Sozialraum Olten wurde der Verein fündig. Drei Wohneinheiten befinden sich in dem Haus an der zentral gelegenen Bleichmattstrasse. Zuoberst sollen langfristige Mieter günstig wohnen können, in der Mitte sind kurz- und mittelfristige Aufenthalte angedacht. Im Erdgeschoss ist die Notschlafstelle geplant.
«Der Verein hat sich mit dieser Dreiteilung vom Konzept der reinen Notschlafstelle entfernt», schreibt er in einer Mitteilung. Vom Konzept her lehne man sich an die Notschlafstelle Baden an, die auch eine mehrstöckige Liegenschaft mit ähnlichem Modell betreibe, sagen die Verantwortlichen. Noch kann die Notschlafstelle Olten nicht öffnen, sie braucht noch Bewilligungen.
Gibt es überhaupt Obdachlose in Olten?
Der Weg zur Notschlafstelle ist lang, das zeigt das Oltner Beispiel. Eigentlich wollte der Verein Schlafguet bereits 2017 eine Notschlafstelle eröffnen. Es gelang aber nicht, geeignete Räumlichkeiten zu finden. Potenzielle Vermieter stünden dem Anliegen oft auch skeptisch gegenüber, hiess es damals. Nun scheint eine grössere Hürde genommen.
Der Bedarf für eine Notschlafstelle sei ausgewiesen. «In Gesprächen mit anderen Notschlafstellen hat sich gezeigt, dass es Obdachlose aus dem Kanton Solothurn gibt, die in anderen Kantonen übernachten», sagt Timo Probst vom Verein Schlafguet. Solothurner Obdachlose suchen Schutz in Baden, Basel oder Biel», weiss Probst. Genau deshalb sei man überzeugt, dass es die Notschlafstelle Olten brauche.
Es gibt Solothurner Obdachlose, die in anderen Kantonen übernachten.
Noch sind Notschlafstellen auf dem Land oder in der Agglomeration aber selten, weiss Matthias Drilling, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz. «Die Agglomerationsgemeinden reagieren mit Zurückhaltung, weil sie wissen, dass sich die professionellen Angebote in den Städten befinden». Hinzu kommt, dass Obdachlosigkeit in kleineren Städten nicht so sichtbar sei wie in grösseren.
Allmählich komme aber Bewegung in die Sache, sagt Matthias Drilling. «Da fangen ein paar Agglomerationsgemeinden an, sich aktiv Gedanken zu machen, und überlegen, ob sie selbst etwas aufbauen wollen», sagt er. Schweizweit erfassen Drilling und seine Studierenden der Hochschule für soziale Arbeit momentan die Zahlen zur Obdachlosigkeit in der Schweiz. Gut möglich, dass die Studie auch für Kleinstädte und Agglomerationsgemeinden aufschlussreich sein könnte.
Ob der Aufbau einer Notschlafstelle in der Oltner Kleinstadt gelingt, zeigt sich nach dem dreijährigen Pilotbetrieb, der ab Herbst 2022 starten soll.