Es ist ein Samstagabend im Februar, gegen 23 Uhr im Interregiozug Bern- Zürich. A.F. fährt mit seiner Frau nach Zürich. Als der SBB-Angestellte den Waggon betritt, strecken ihm die beiden artig ihre Swiss-Pässe entgegen. Dieser winkt ab und erklärt, dass er keine Kontrolle mache, er sei nur da um Auskunft zu geben.
Dieser SBB-Angestellte habe alles richtig gemacht, sagt Andreas Menet, selbst Zugbegleiter und Präsident des Zugpersonalverbandes (ZPV) der Gewerkschaft SEV. «Mit der SBB wurde abgemacht, dass ab 22 Uhr immer zwei Personen auf dem Zug sind. Wenn das nicht der Fall ist, soll sich die betroffene Person so organisieren, dass es für sie stimmt.»
Ganz normal: Risikozüge
Für den SBB-Angestellten hat es im konkreten Fall nicht gestimmt, er war offensichtlich allein auf dem Interregio-Zug. Deshalb hat er entschieden, keine Billettkontrollen durchzuführen. Er hat damit die Empfehlung der Bahngewerkschaft befolgt.
Denn Züge in Randzeiten, vor allem am Wochenende gelten als Risikozüge. Immer wieder kommt es zu Vorfällen. Das Zugpersonal wird beschimpft, in Extremfällen auch mal angegriffen. Vor über zehn Jahren hat man deshalb die Doppelbesetzung eingeführt. Das heisst, auf allen Fernzügen wurden die Kontrollen prinzipiell immer zu zweit durchgeführt.
Dieses Prinzip ist nun mit dem letzten Fahrplanwechsel wieder abgeschafft worden, wie Isabelle Betschart, Leiterin Strategie Personenverkehr bei der SBB, sagt. «Unsere Mitarbeitenden begleiten nicht mehr primär Züge, sondern sind für unsere Kunden da und sind das Gesicht der SBB.»
Doppelkontrollen in Randzeiten
Anders gesagt: Die Zugbegleiter werden vermehrt auch ausserhalb des Zuges eingesetzt. Geblieben sei aber die Doppelkontrolle in Randzeiten, so Betschart. Aber auch hier sind nicht immer zwei SBB-Angestellte in einem Zug, wie obiges Beispiel belegt. Ist der Kontrolleur allein unterwegs, kann er auf Kontrollen verzichten, um brenzlige Situationen zu vermeiden.
Karin Blättler, Präsidentin des Fahrgastverbandes Pro Bahn, hat Verständnis für die Ängste der Angestellten, aber überhaupt keines für die SBB: «Es kann nicht sein, dass das in der Hand dieses Mitarbeiters liegt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das für den Mitarbeiter tragbar ist.» Und dass man gewisse Leistungen gar nicht mehr erbringe, das könne nicht die Lösung sein.
Stellen Sie sich mal vor, Sie sind in einem Zug mit zehn bis zwölf Wagen, und Sie sind allein.
Neues Konzept der SBB
Mit dem neuen SBB-Kundenbegleiter-Konzept wird aber vor allem tagsüber weniger kontrolliert. Denn auch hier ist häufig nur noch ein einziger Zugbegleiter im Einsatz, früher waren es zwei oder drei. Da kommt selbst der Präsident des Zugpersonalverbandes, Andreas Menet, trotz seiner 38 Dienstjahre bei der SBB ins Schwitzen: «Stellen Sie sich mal vor, Sie sind in einem Zug mit zehn bis zwölf Wagen, und Sie sind allein. Wenn eine Störung auftritt, wenn Sie zum Beispiel den Zug evakuieren müssen, dann sind Sie auf verlorenem Posten.»
Das gehe nicht. Es sei verständlich, dass deshalb die Verunsicherung unter den 2100 SBB-Kundenbegleitern gross sei, meint Menet.
Ausnahmen, aber möglich
Betschart von der SBB sagt, es handle sich um Ausnahmen, dass auf voll besetzten Zügen nur noch ein Kundenbegleiter eingesetzt werde. Sie gibt aber zu, dass es momentan hie und da zu solchen Engpässen kommen könne.
Der Grund: Die Zugbegleiter werden für den störungsanfälligen neuen Zug abgezogen und fehlen deshalb auf den regulären Zügen.