Als Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz hat Raimund Rodewald viele Bauprojekte verhindert – und sich damit auch viele Feinde gemacht. Er gilt als hartnäckiger Kämpfer, aber auch als konstruktiver Gesprächspartner. Nun geht der oberste Landschaftsschützer der Schweiz in Pension.
SRF: Raimund Rodewald, schon 1990, als Sie noch ein einfacher Mitarbeiter bei der Stiftung Landschaftsschutz waren, hat sich die «NZZ» über Sie enerviert, weil Sie den wachsenden Skitourismus kritisierten. Liegt es in Ihrem Naturell, anderen auf die Zehen zu treten?
Raimund Rodewald: Ich war von klein auf ein Revoluzzer für die Natur, wuchs mit den Büchern des Tierfilmers Bernhard Grzimek auf: «Serengeti darf nicht sterben», das hat mich aufgerüttelt.
Ich bin zutiefst harmoniebedürftig und suche nicht den Streit, sondern die Lösung.
In den letzten 35 Jahren haben Sie Ihren Mahnfinger Dutzende Male erhoben, sei es beim Schutz von Moorlandschaften oder den fehlenden Grünflächen in der Stadt. Was hat Sie angetrieben?
Ich habe eine christliche Seele in mir, fühle Respekt und Demut gegenüber der Welt. Und ich realisierte schon früh: Ich will die Welt verändern. Allerdings war ich nie ein Alleinkämpfer. Ich hatte immer Menschen, die mitzogen. Das hat mir bis zuletzt ein Lächeln ermöglicht. Denn: Ich bin zutiefst harmoniebedürftig und suche nicht den Streit, sondern die Lösung.
Das Wort «Harmonie» ist nicht unbedingt das Erste, was einem zu Ihnen einfällt...
Nun, ich habe gelernt, dass es nur miteinander geht. Genau darum ist es wichtig, zu streiten. Und damit meine ich: sich gegenseitig hochschaukeln, um am Ende eine gute Lösung zu finden. Darum mag ich das Wallis: Weil man nach einer harten Auseinandersetzung «eis trichu» geht.
In den letzten zwei Jahren kämpften Sie vehement gegen die Förderung alpiner Solarprojekte. Wie war das für Sie, als das Parlament 2022 – im Schatten der befürchteten Energiekrise – den sogenannten «Solarexpress» verabschiedete?
Ich musste meine Ferien abbrechen. Das kam aus heiterem Himmel, innert drei Wochen hat man den «Solarexpress» im Parlament durchgeboxt.
Mein Glaube an eine eidgenössiche Kompromisshaltung wurde erschüttert.
Dieser Entscheid hat mich zutiefst getroffen, auch wie gegenüber dem Landschaftsschutz argumentiert wurde. Anfangs hiess es sogar, es brauche keinen Umweltverträglichkeitsbericht, man solle einfach drauflosbauen, weil der Strom sonst fehle. Da wurden Emotionen geschürt, die meinen Glauben an eine eidgenössische Kompromisshaltung erschütterten. Der Erfolg ist bis heute sehr gering.
Und doch geht es um Solarstrom, also um ein Umweltanliegen. Wie schwierig war es, dagegen zu argumentieren?
Wir befanden uns da in einem Spagat. Darum habe mich in die Energiedebatte hineingekniet, habe möglichst viel darüber gelesen. Ich brauchte ein Fundament, um zu verhandeln. Denn es passiert rasch, dass man ins Schwarz-Weiss-Denken verfällt. Zum Glück ist die Diskussion heute etwas differenzierter als vor zwei Jahren. Aber ich glaube einfach: Das Geld, welches etwa in Grengiols im Wallis verbaut wird, ist verlorenes Geld, das man eigentlich bräuchte, um in den Städten, im Mittelland, aber auch den Bergdörfern mit Solarenergie vorwärtszumachen.
Ich bin kein Sesselkleber.
Ende Oktober gehen Sie in Pension. Fällt Ihnen der Schritt leicht?
Ja, ich glaube schon. Weil ich mir bewusst bin, dass man sich als alter, weisshaariger Mann irgendwann aus der Debatte zurückziehen sollte. Und ich bin kein Sesselkleber. Kurz: Ich sehe der Zukunft gelassen entgegen.
Das Gespräch führte Ruth Seeholzer.