Der Bundesrat und die Europäische Union konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Entwurf zum institutionellen Rahmenabkommen einigen.
Trotzdem will die Landesregierung das Verhandlungsergebnis mit Brüssel im Parlament zur Disposition stellen. So wird die Aussenpolitische Kommission erstmals eine Debatte zum institutionellen Rahmenabkommen durchführen.
Wir zeigen, welche Eckpunkte des Vertragswerks besonders umstritten sind und welche Positionen die Parteien in der Europa-Frage einnehmen.
Der Lohnschutz: Die bilateralen Verträge gehen Hand in Hand mit dem Lohnschutz – die flankierenden Massnahmen sorgen dafür, dass Arbeitskräfte aus der EU die Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen einhalten.
So müssen Firmen Arbeitseinsätze in der Eidgenossenschaft acht Tage vorher in der Schweiz anmelden.
Nun sieht das institutionelle Rahmenabkommen eine Halbierung dieser Acht-Tage-Regel vor.
Zudem muss die Schweiz bei der Kautionspflicht Konzessionen machen. Demnach soll die Kautionspflicht nur noch für Firmen gelten, die bereits arbeitsrechtlich bestraft wurden.
Das Schiedsgericht: Finden die Schweiz und Brüssel bei Meinungsverschiedenheiten keinen Kompromiss, werden diese Probleme in gemischte Ausschüsse getragen. Gelingt keine Lösung, können beide Parteien das Schiedsgericht anrufen.
Im neu geschaffenen Gremium sollen je ein oder zwei Richter aus der Schweiz und EU Einsitz nehmen – diese bestimmen dann ein weiteres Mitglied. Dieser fungiert als Vorsitzender. Betrifft ein Konflikt EU-Recht, würde sich das Schiedsgericht auf die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs stützen.
Der Entscheid des Schiedsgerichts ist verbindlich. Setzt eine der Streitparteien das Urteil nicht um, kann die Gegenpartei Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese müssen verhältnismässig sein.
Die Unionsbürgerrichtlinie: Bei diesem Gesetz handelt es sich um das Einreise-, Ausreise- und Aufenthaltsrecht der EU für die Bürger ihrer Mitgliedsstaaten. Diese Weiterentwicklung des Freizügigkeitsabkommen wird im neuen Rahmenabkommen nicht erwähnt.
Allerdings besteht die Befürchtung, dass über ein Schiedsgerichtsverfahren diese Richtlinie aufs Tapet gebracht werden könnte.
Die Schweiz steht der Unionsbürgerrichtlinie kritisch gegenüber: Der Grund: Personen aus der EU, die aufenthaltsberechtigt sind, hätten grundsätzlich – mit Ausnahmen – das Recht, gleich behandelt zu werden, die das Staatsbürgerrecht des betroffenen Landes besitzen. Was bedeutet das?
- EU-Bürger könnten nach sechs Monaten Arbeitstätigkeit Sozialhilfe beziehen.
- Die Ausschaffung von Unionsbürgern würde mit den neuen Richtlinien erschwert.
- Unionsbürger würden nach fünf Jahren ein Recht auf Daueraufenthalt erhalten.
Was sagt der Bundesrat? Die Schweizer Landesregierung sendet unterschiedliche Signale aus. Aussenminister Ignazio Cassis bezeichnete den Vertrag als weitgehend zufriedenstellend.
Bundespräsident Ueli Maurer hingegen forderte Nachverhandlungen und warnte vor einem Wirtschaftskrieg mit der EU.
So positionieren sich die Parteien: Die SVP will ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU bekämpfen.
Für SP-Präsident Christian Levrat ist das Rahmenabkommen in seiner derzeitigen Form nicht mehrheitsfähig und die CVP sieht im Rahmenabkommen eine Chance für die langfristige Sicherung des bilateralen Weges. Die FDP will sich in der Europafrage nicht abschliessend festlegen.
Wie verhält sich die EU? Brüssel schliesst Nachverhandlungen mit der Schweiz aus – und macht klar: Will ein Nichtmitgliedsland am EU-Binnenmarkt teilhaben, muss es auch die Rechte dieses Marktes akzeptieren.