Der emeritierte Volkswirtschaftsprofesser Hans Christoph Binswanger ist im Alter von 88 Jahren verstorben. Er hat mitgeholfen, die Umweltökonomie wissenschaftlich und politisch salonfähig zu machen. Dabei hat es nicht geschadet, dass er ein etablierter Hochschulprofessor an einer bekannten Kaderschmiede, der Hochschule St. Gallen (HSG), war. Wo sich heute noch angehende Topmanager ihr intellektuelles Rüstzeug holen, gründete Binswanger Anfang der 1990er Jahre das Institut für Wirtschaft und Ökologie.
Ökologische Buchhaltung entwickelt
Die Umweltökonomin Irmi Seidl hat ihre Doktorarbeit in St. Gallen geschrieben. Sie nahm damals an hitzigen Debatten teil. Seidl erinnert sich: «Es wurden auch neue Ansätze entwickelt, zum Beispiel die ökologische Buchhaltung. Dafür hat Binswanger wichtige Impulse gegeben, und sie sind in die Ökobilanzen eingeflossen.» Ökobilanzen erstelle heute jedes Unternehmen.
Wir müssen den ökologischen Faktor in die Produktionsfunktion einbeziehen.
Ein grosses Anliegen des 1929 geborenen Binswangers war es, dass scheinbar unendliche Ressourcen – beispielsweise Wasser und Luft – ein Preisetikett und damit einen Wert erhalten. Binswanger betrachtete die Natur als wirtschaftlichen Faktor. «Wir müssen den ökologischen Faktor in die Produktionsfunktion einbeziehen. Dann kann auch einbezogen werden, dass Naturkapital abgebaut wird und was dessen Wert ist», sagt Seidl.
Zu starke Lobby gegen ökologische Steuerreform
Deshalb auch erarbeite Binswanger einen Vorschlag einer ökologischen Steuerreform, bei der statt Arbeit Energie besteuert wird. Die politische Umsetzung dieser Idee sei in der Schweiz allerdings nicht weit gekommen, bedauert Ökonomin Seidl, die heute an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft arbeitet. «In der Schweiz gab es in den 2000er Jahren zwei oder drei Volksabstimmungen dazu. Leider wurden die Vorschläge immer abgelehnt. Es gibt sehr starke Lobbykräfte, die das jeweils verhindern. Aber inzwischen gibt es die CO2-Steuer.»
Das zeigt: Die Vereinbarkeit von ökologischer Nachhaltigkeit und wirtschaftlichem Wachstum ist und bleibt kontrovers. Die Debatte geht weiter – angestossen wurde sie von Hans Christoph Binswanger.