Österreich will mehrere Moscheen schliessen und etliche Imame ausweisen: Die Regierung wendet damit erstmals das Islamgesetz von 2015 an. Dieses verbietet eine ausländische Finanzierung von Moscheen und Imamen, und das Gesetz fordert eine positive Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft.
Bundeskanzler Sebastian Kurz sagt es so: «Parallelgesellschaften, der politische Islam und Radikalisierungstendenzen haben in unserem Land keinen Platz.»
Die Regierungskoalition löst damit ein Wahlversprechen ein. Sie reagiert aber auch, wie NZZ-Korrespondentin Meret Baumann sagt, auf «stossende Ereignisse» in der Vergangenheit. Ein Beispiel: In türkischen Moscheen stellten kleine Kinder kürzlich die Schlacht von Gallipoli nach – in Tarnuniform und martialischen Posen.
Auch in der Schweiz sind Fälle von Radikalisierungen in Moscheen und durch Imame immer wieder ein Thema. Und es gibt weitere Parallelen zu unserem Nachbarn: Kürzlich führten auch im Thurgau Kinder einer Klasse für heimatliche Kultur und Sprache ein Gallipoli-Stück auf.
Finanzierungsverbot scheitert im Ständerat
In der laufenden Sommersession beschäftigte der islamische Extremismus auch die Politik: etwa im Rahmen einer Motion des Tessiner Lega-Nationalrats Lorenzo Quadri. Er verlangte ein Verbot der Finanzierung von Moscheen und Imamen aus dem Ausland, wie es unser Nachbar Österreich kennt. Zudem sollten Imame in einer Ortssprache predigen.
Im Visier hat Quadri vor allem die türkische Regierung. Diese soll 35 Moscheen und islamische Zentren in der Schweiz finanzieren. Quadri fürchtet, dass die Gelder dafür verwendet werden, den radikalen Islam zu propagieren. Der Ständerat verwarf das «Modell Österreich» allerdings klar.
Die Schweiz geht andere Wege
Soweit die Parallelen zwischen der Schweiz und Österreich. Tatsächlich seien die Unterschiede zwischen den beiden Ländern aber gross, erklärt SRF-Inlandredaktor Iwan Santoro. Zuallererst auf Verfassungsebene: «In Österreich sind islamische Religionsgemeinschaften staatlich anerkannt. Sie können also auch Kirchensteuern einziehen. Gleichzeitig unterliegen sie aber auch klaren Vorgaben des Staates.»
Auch Justizministerin Simonetta Sommaruga machte in der kleinen Kammer darauf aufmerksam, dass der Vergleich mit Österreich hinke: «Man kann nicht Pflichten ohne Rechte einfordern.» Denn in der Schweiz anerkenne kein Kanton eine islamische Glaubensgemeinschaft.
Die berüchtigte Winterthurer An-Nur-Moschee wurde letztes Jahr trotzdem geschlossen – allerdings weil ihr Mietvertrag gekündigt wurde. «Untätig blieben die Behörden aber nicht», erinnert Santoro. Ein Hassprediger wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und sitzt nun in Ausschaffungshaft. Zudem hat die Stadt Winterthur eine Extremismusfachstelle eingerichtet, die radikale Tendenzen frühzeitig erkennen soll.
Strafverfolgung und Prävention
Auch an anderer Stelle sind die Strafverfolgungsbehörden aktiv. Vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona etwa müssen sich derzeit IZRS-Mitglieder wegen Terrorpropaganda verantworten. Das zugehörige Gesetz – das Verbot terroristischer Gruppierungen wie Al-Kaida und IS – trat 2015 in Kraft und wurde soeben vom Parlament verlängert.
Schliesslich seien Bund und Kantone aktiv bei der Prävention und Bekämpfung von radikalem Gedankengut, so der SRF-Inlandredaktor: Im letzten Winter wurde ein nationaler Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und Extremismus verabschiedet.
Das Massnahmenpaket fokussiere etwa auf Aus- und Weiterbildung von religiös tätigen Personen, Betreuungspersonen in Asylzentren, Sensibilisierung an Schulen: «Es wird also stark auf Früherkennung und Prävention gesetzt», sagt Santoro. Wenn aber radikale Tendenzen festgestellt würden, seien auch gezielte Interventionen geplant – in Zusammenarbeit mit der Polizei.
Bei der Überwachung von Moscheen ist teilweise auch der Bund tätig, konkret der Nachrichtendienst. «Es geht also einiges», schliesst Santoro. Statt wie Österreich «von oben» einzugreifen, agiere die Schweiz aber insgesamt föderalistischer, auf Stufe von Bund, Kantonen und Gemeinden.