Gratis Bus und Tram fahren. Das ist in gewissen Städten im Ausland bereits möglich. Zum Beispiel in Luxemburg oder in der estnischen Hauptstadt Tallinn. In der Stadt Bern wollte dies die Initiative «Gratis ÖV». Wollte, denn daraus wird vorerst nichts: Die Berner Stadtregierung hat die Initiative für ungültig erklärt.
Eine freie Fahrt auf allen Linien des Bahnunternehmens Bernmobil sei nicht vereinbar mit der Bundesverfassung, so der Gemeinderat. Denn dort stehe, dass Nutzerinnen und Nutzer die Kosten des öffentlichen Verkehrs angemessen übernehmen müssten, weshalb die Initiative ungültig sei und nicht vors Volk komme.
Streit um Gültigkeit
Willi Egloff vom Initiativkomitee sieht dies jedoch anders. Er ist selbst Jurist und findet, die Stadtregierung habe die Bundesverfassung falsch interpretiert: «Diese Bestimmung bezieht sich gar nicht auf den lokalen, städtischen Verkehr, sondern auf jenen, der die nationale Eisenbahninfrastruktur regelt.»
Gratis-ÖV helfe der Umwelt und Personen mit wenig Einkommen, weshalb das Komitee den Entscheid des Gemeinderats anfechten will. Über 5000 Leute hätten ihr Anliegen unterschrieben: «Beim Sammeln haben wir gemerkt, dass dies viele Leute eine gute Idee finden.» Viele erhofften sich eine Steigerung der Wohnqualität in der Stadt, weil weniger Autos unterwegs wären, so Egloff.
Keine Chance im Parlament
Bereits vor zwei Jahren war ein ähnliches Anliegen im mehrheitlich linken Berner Stadtparlament diskutiert worden. Dort scheiterte die Idee von Gratis-ÖV aber bereits. Der Gemeinderat warnte vor zu hohen Kosten.
Auch im Kanton Freiburg oder der Stadt Zürich gab es ähnliche Initiativen für Gratis-ÖV – an beiden Orten konnte sich die Stimmbevölkerung aber nicht dazu äussern. Die Regierungen sahen ebenfalls einen Verstoss gegen die Bundesverfassung.
Nicht vergleichbar
Dies sei mit Bern jedoch nicht vergleichbar, sagt Egloff. Die Stadt Zürich wollte den öffentlichen Verkehr nur für die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt gratis machen. Das sei zu Recht nicht zulässig, weil die Menschen damit nicht alle gleich behandelt würden. Dazu brauche es explizit eine rechtliche Grundlage, so Egloff.
Aus fachlicher Sicht spreche wenig bis nichts für die starke Verbilligung oder gar das Einführen eines kostenlosen Verkehrssystems, sagt der Professor für Verkehrsplanung der ETH Zürich, Kay Axhausen. «Wenn der ÖV gratis ist, fehlen die Mittel für den nötigen Ausbau.»
Politik vs. Kundschaft
Auch aus Sicht der ÖV-Unternehmen sei der kostenlose ÖV schwierig. «Die Unternehmen wären total von Subventionen abhängig. Das heisst, das Management muss nur noch die Politik zufriedenstellen – und nicht mehr die Kundschaft.» Möglich, dass beispielsweise Abstriche bei der Freundlichkeit gemacht werden.
Professor Axhausen rechnet dennoch mit weiteren Vorstössen, um den öffentlichen Verkehr in der Schweiz gratis zu machen. Ob das Anliegen aber jemals eine Mehrheit findet, sei schwierig einzuschätzen. Er sagt: «Generell sind Schweizerinnen und Schweizer zurückhaltend beim Geld ausgeben. Es gilt: Wer etwas kriegt, soll dafür auch etwas bezahlen.»