Newsportale im Internet messen ihren Erfolg daran, wie oft ihre Artikel angeklickt werden. Der grösste Schweizer Verlag Tamedia testet nun ein neues Modell: Journalisten, die mehr Klicks generieren, erhalten auch mehr Lohn. Tamedia erhofft sich vom neuen Model attraktivere Texte und mehr Leser auf den Websiten von «20 Minuten» und «Tages-Anzeiger».
Der Versuch betrifft jene Journalisten, die Agenturmeldungen zu Artikeln verarbeiten. Wenn sie gut arbeiten, erhalten sie einen Bonus, wie Unternehmenssprecher Christoph Zimmer sagt: «Die Mitarbeitenden, welche die besten Texte schreiben, die am meisten Publikum ansprechen, werden zusätzlich zum Lohn eine monatliche Prämie erhalten. Ebenso gibt es eine Prämie für das Team, wenn es ihm gelingt, die Reichweite gegenüber dem Vormonat zu steigern und damit mehr Leser anzusprechen».
Dramatisierungen und Übertreibungen?
Nicht betroffen sind dagegen jene Journalisten, die eigene Geschichten und Reportagen schreiben. Mehr Lohn für mehr Klicks? Mark Eisenegger, Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität Zürich, reagiert skeptisch. Er befürchtet, dass vor allem der Anreiz darin besteht, die Titel zuzuspitzen und zu übertreiben.
Und Geschichten, die vielleicht gar nicht so wahnsinnig dramatisch sind, würden effekthascherisch aufbereitet. «Das ist unter dem Strich natürlich nicht das, was wir wollen», betont Eisenegger. Auch bei der Auswahl der Themen sieht er mögliche Probleme: Seichte Themen könnten bevorzugt werden, befürchtet der Wissenschaftler.
«Gespannt auf die Ergebnisse»
Tamedia beschreitet hier Neuland. Die anderen Schweizer Verlage planen derzeit nichts Ähnliches. Doch Patrik Müller, Chefredaktor der «Aargauer Zeitung» und der «Schweiz am Sonntag», findet den Ansatz interessant: «Grundsätzlich ist es richtig, dass man heutzutage experimentiert. Die Leute daran misst, wie gut sie arbeiten. Insofern bin ich gespannt auf die Ergebnisse dieses Versuchs.»
Gespannt sein dürfte auch Tamedia: In ein paar Monaten will der Verlag auswerten, ob tatsächlich neue Leser gewonnen wurden.