In Ärztekreisen war sein Ruf schon seit Jahren ramponiert: Als der Übergewichtschirurg Ralf Senner 2010 aus Deutschland in die Schweiz übersiedelte, war er in der alten Heimat bereits in Prozesse verwickelt. In der Schweiz hatten sich zwei Spitäler von ihm getrennt, unter anderem weil er Patienten schlecht informiert und Rechnungen für Leistungen verlangt habe, die durch Krankenkassen gedeckt gewesen wären. Auch Nachbehandlungen soll er vernachlässigt haben.
Fachlich konnten ihm in der Schweiz bisher keine schweren Sorgfaltsverletzungen nachgewiesen werden. Dies wäre aber nötig, damit Ärztegesellschaften und Behörden aktiv auf Verfehlungen reagieren würden.
Vorwürfe bekannt
Bei der Schweizerischen Fachorganisation für die Behandlung von krankhaftem Übergewicht (SMOB) hat man von den Vorwürfen gewusst und Senner auch nicht in die Organisation aufgenommen. Im Gegenteil mahnte ihn die Fachgesellschaft unter anderem wegen falscher Titel ab.
Trotzdem führte der Chirurg jahrelang nicht nur seine Praxis, sondern wurde sogar in einem Zürcher Spital als Belegarzt verpflichtet.
Aufruf an Patienten
Warum die Fachorganisation nicht aktiver gegen den Chirurgen vorgegangen ist, erklärt Präsident Renward Hauser damit, dass man alles nur gerüchteweise mitbekommen habe. Betroffene Patienten, die sich bei der Gesellschaft wegen Ungereimtheiten meldeten, hätten sich jeweils zurückgezogen, sobald es darum ging, eine offizielle Aussage zu machen. Ohne konkrete Beweise und Zeugen lasse sich aber nichts unternehmen, ohne eine Anzeige wegen übler Nachrede zu riskieren.
Erst als ein «Tages-Anzeiger»-Journalist zu recherchieren begann und unangenehme Fragen stellte, leitete die SMOB ihre Information an die zuständige Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich weiter.
Dort will man bis dahin von den Verfehlungen des Chirurgen nichts gewusst haben. Auch Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger verweist darauf, dass dem Kanton ohne konkrete Informationen die Hände gebunden seien. Er ruft Patienten, Patientenorganisationen und Fachorganisationen deshalb eindringlich auf, ärztliche Verfehlungen rechtzeitig beim Kanton zu melden: «Nur dann sind wir in der Lage den Vorwürfen nachzugehen und gegebenenfalls einzuschreiten.»
Ziel: vereinfachter Informationsfluss
Immerhin strebt man jetzt Verbesserungen im Informationsfluss an: Der Kantonsarzt und eine Patientenorganisation erörtern Möglichkeiten, wie Informationen von den Patienten schneller und niederschwelliger zum Kanton gelangen können. So dass der Kanton als zuständiges Kontrollorgan schneller über ein konkretes Vorgehen gegen fehlbare Ärzte entscheiden könnte – bis hin zum Entzug der Zulassung.
Aus Patientensicht wäre eine zentrale, gesamtschweizerische Meldestelle wünschenswert. Auf nationaler Ebene finden diesbezüglich aber noch nicht einmal Gespräche statt.