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Palliativpflege soll gestärkt werden
Aus 10 vor 10 vom 15.12.2020.
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Palliative Care Dort sterben, wo man will

Einer Mehrheit der Menschen in der Schweiz ist am Lebensende eines wichtig: Die letzte Zeit zu Hause mit der Familie zu verbringen. Doch nur einem kleinen Teil wird dies auch ermöglicht. Dies soll sich nun ändern.

Barbara Stauber ist unheilbar krank, 2017 erhielt sie die Diagnose Leukämie. Seit dem Herbst 2019 ist klar, dass sie sterben wird – wann hingegen nicht. Es gebe Momente, wo sie bereit sei zu gehen, besonders wegen der Schmerzen, sagt die 73-Jährige. Doch sie hat ein Ziel vor Augen: Sie hofft nochmals Weihnachten feiern zu können, «auch wenn es dieses Jahr ein wenig anders wird», so Stauber.

Wegen des Krebses kann ihr Körper kein Blut mehr produzieren, alle zwei Wochen ist darum eine Transfusion nötig. Normalerweise müsste man dafür ins Spital, da die Gefahr besteht, dass sie das fremde Blut nicht verträgt – doch das will Stauber nicht mehr. «Da bin ich nur alleine, gerade in Zeiten von Corona, wo die Besucherzeiten stark eingeschränkt sind.» Auf die Transfusion verzichten ist aber keine Option. «Doping», nennt sie die Blutkonserven, nach der Zuführung hat sie wieder mehr Energie, für kurze Spaziergänge in der Nachbarschaft, für ein Spiel mit ihrem Ehemann.

Palliative Care – kurz erklärt

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Palliative Care: Die Betreuung von Patienten in ihrer letzten Lebensphase. Speziell ist die Interdisziplinarität, einbezogen wird die medizinische, psychologische und seelsorgerische Pflege, wobei es nicht nur um die Sterbebegleitung geht: Zentral ist es, den Menschen in ihrer letzten Lebensphase zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.

Allgemeine Palliative Care: Betreut werden Patienten, die sich wegen ihrer unheilbaren und/oder wegen ihrer fortgeschrittenen Krankheit mit dem Lebensende beschäftigen. Die Palliativpatienten sind mehrheitlich hochbetagte Menschen. Häufige Erkrankungen sind fortgeschrittene Gebrechlichkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Organversagen und/oder Demenz.

Spezialisierte Palliative Care: Sie ist für die rund zehn Prozent der Fälle da, die in der letzten Lebensphase eine komplexe medizinische, pflegerische, psychosoziale oder spirituelle Problematik durchmachen, die eine spezialisierte Betreuung benötigt.

Mobile Palliative Care: Ein mobiles, flexibles Team ermöglicht es den Patienten, an ihrem Wohnort betreut zu werden. Das Team kommt einerseits zu den Patienten nach Hause, um den Gang ins Spital oder in eine Praxis zu vermeiden. Andererseits unterstützt es das Fachpersonal in Pflegeheimen in Fragen zur Palliative Care, dass die Patienten nicht verlegt werden müssen.

Ihr rettender Anker ist darum die mobile Palliative Care: Im Zürcher Oberland betreut ein 15-köpfiges Team aus spezialisierten Pflegefachleuten und drei Ärzten rund 600 Patienten im Jahr zu Hause, so auch Barbara Stauber. Sie nehmen geplante Behandlungen wie Bluttransfusionen vor, sind aber auch rund um die Uhr für Notfälle erreichbar und können so manchen Gang ins Spital verhindern. Für die Pflegefachfrau Heidi Lüthi ist die Arbeit im mobilen Team zwar stressig, aber sehr bereichernd: «Eines der grossen Ziele der Palliative Care und auch unseres Teams ist es, dass wir die Lebensqualität von schwer kranken Menschen möglichst hochhalten können.» Das gelinge am besten in der gewohnten und geliebten Umgebung.

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Heidi Lüthi, Pflegefachfrau, Palliative Care
Aus News-Clip vom 17.12.2020.
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Drei Viertel wollen zu Hause sterben

Eine Umfrage des Bundes zeigt, dass die Arbeit von mobilen Teams den Bedürfnissen von Schwerstkranken entspricht. Einem Grossteil der Befragten liegt es am Herzen, ohne Ängste und Schmerzen sterben zu können, im Rahmen der Familie zu Hause. Diese Sicht teilt Barbara Stauber: «Die Medizin kann mir nicht mehr helfen.» Darum wolle sie die restliche Zeit zu Hause verbringen, umgeben von ihren Blumen und Bilder. Ihre Familie hat sie so in nächster Nähe, ihr Mann und auch die Tochter und die drei Enkel wohnen im selben Haus. Auch der Hund ist immer dabei – im Spital undenkbar.

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Barbara Stauber, Rentnerin
Aus News-Clip vom 17.12.2020.
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Doch die Möglichkeit, zu Hause zu sterben, bleibt vielen Schwerstkranken verwehrt: 72 Prozent wollen, nur 30 Prozent ist dies möglich. Das Problem ist das fehlende Angebot von mobilen Teams in vielen Kantonen. Nur in wenigen kann die gesamte medizinische Betreuung zu Hause abgedeckt werden, vielerorts sind keine Ärzte involviert.

Motion will gesetzliche Grundlage schaffen

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Die Motion der Ständeratskommission für soziale Sicherheit und Gesundheit basiert auf einem Postulatsbericht zur Palliative Care des Bundesrats von diesem September. Dieser stellt aufgrund einer Situationsanalyse Handlungsbedarf fest in verschiedenen Punkten:

  • Die Bevölkerung wird immer älter, damit kommt auch der Palliative Care eine grössere Bedeutung zu
  • Die Palliative Care ist nicht allen zugänglich, unter anderem wegen des unterschiedlichen Angebots in den verschiedenen Kantonen und des Fokus der Palliative Care auf Patienten mit onkologischer Krankheit
  • Die Finanzierung der verschiedenen Angebote, wie zum Beispiel von mobilen Teams sowie von Hospizen ist nicht vollständig gewährleistet, auch hochkomplexe Fälle können von den normalen Tarifen nicht aufgefangen werden

Die Motion knüpft an den Erkenntnissen dieses Postulatsberichts an und fordert, dass der Bundesrat in Zusammenarbeit mit den Kantonen eine gesetzliche Grundlage schafft, um diese Ungleichheiten und Finanzierungsprobleme zu beenden. Der Zugang zur Palliative Care soll für jeden Menschen gewährleistet sein und auch die freie Entscheidung darüber, wo man sterben will.

Es scheitert am Geld, wie Andreas Weber erklärt, der die Palliativ Care im Spital Wetzikon leitet und auch die Aufsicht über die mobilen Teams hat: «Rund ein Drittel der Kosten ist bei solchen Einsätzen von den normalen Tarifen nicht abgedeckt», gerade der ganze Koordinationsaufwand. Denn genauso unberechenbar wie die Krankheiten sei eben die Planung der Einsätze. Im Oberland haben sie eine Lösung gefunden: Die Gemeinden übernehmen dank einzeln ausgehandelter Leistungsverträgen die übrigen Kosten.

Rund ein Drittel der Kosten ist bei solchen Einsätzen von den normalen Tarifen nicht abgedeckt.
Autor: Andreas Weber Spital Wetzikon

Neue Finanzierungsmodelle

Andernorts behelfe man sich mit Spenden, so Weber. «Wenn man immer dem Geld hinterherrennen muss, geht aber der Anreiz verloren, solche Angebote auszubauen.» Dabei sei die Betreuung zu Hause viel günstiger als ein Eintritt ins Spital. «Schon nur die Fahrt der Ambulanz ist teurer», so Weber. Ein Finanzierungsproblem kennen auch Palliative Care-Stationen, wie der Blick ins Inselspital in Bern zeigt: «Wir sind das schwarze Schaf im Spital», sagt der ärztliche Leiter des Palliativzentrums, Steffen Eychmüller. «Da wir im roten Bereich sind, erhalten wir auch keine Förderung für die Zukunft und können so den Patienten nicht anbieten, was wir mehr anbieten wollen.»

Jeder Mensch soll entscheiden können, wo er sein Lebensende verbringen will.
Autor: Marina Carobbio Sprecherin Ständeratskommission für soziale Sicherheit und Gesundheit

Hier setzt eine Ständeratsmotion an: Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit fordert, dass der Bund die gesetzlichen Rahmenbedingungen anpasst, um die Finanzierung für ein schweizweites Angebot zu gewährleisten. Schlussendlich hat Marina Carobbio, Kommissionssprecherin und Präsidentin des Verbands «palliative ch», ein grosses Ziel vor Augen: «Jeder Mensch soll entscheiden können, wo er sein Lebensende verbringen will, ob zu Hause, im Spital oder in spezialisierten Einrichtungen wie ein Hospiz.» Der Ständerat hat am Dienstag die Motion angenommen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung.

10vor10 15.12.2020

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