Zehn freie Tage dürfen frisch gebackene Väter nach der Geburt ihres Kindes beziehen. Das hätte im vergangenen Jahr rund 89'000 Männer betroffen – denn laut der provisorischen Bevölkerungsstatistik des Bundes kamen 2021 so viele Kinder auf die Welt. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) weist bislang jedoch nur rund 42'000 Väter aus, die Entschädigungen ausbezahlt bekommen haben. Auch, weil nicht alle Väter Anspruch auf die Versicherungsleistung haben.
Im Kanton Zürich mit jährlich rund 17'000 Geburten sind bei der Sozialversicherungsanstalt (SVA) in vergangenen Jahr knapp 2800 Anmeldungen von Vätern eingegangen. «Wir hätten etwa das Doppelte an Anmeldungen von Vätern erwartet, da wir im selben Zeitraum 8300 Anmeldungen von Müttern erhalten haben», sagt Daniela Aloisi, Kommunikationschefin bei der SVA Zürich.
Von einem verhaltenen Start des Vaterschaftsurlaubs berichtet auch Andreas Leuenberger von der Ausgleichskasse des Kantons Bern: «Wir bemerken, dass viele Väter, die eine Vaterschaftsentschädigung beantragen könnten, dies gar nicht tun. Während Mütter ihren Erwerbsersatz konsequent anmelden, haben dies im ersten Jahr des Vaterschaftsurlaubs nur wenige Männer getan.»
Dieser Eindruck bestätigt sich in den Kantonen St. Gallen und Aargau. 978 Anmeldungen von Vätern sind im Aargau 2021 eingegangen. Verglichen mit den 1916 Anmeldungen für Mutterschaftsentschädigung habe man mit deutlich mehr Anmeldungen von Vätern gerechnet, schreibt die SVA Aargau auf Anfrage von SRF. Wieso beziehen so wenige Väter Vaterschaftsurlaub, wo dieser doch an der Urne mit über 60 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde?
Väter kritisieren Arbeitgeber
Markus Theunert, Leiter des Dachverbands Männer.ch und Fachleiter des Väternetzwerks Schweiz, gibt den Arbeitgebern die Schuld. «Wir sind sicher, dass ein beträchtlicher Teil der Männer eigentlich Vaterschaftsurlaub beziehen möchte, aber nicht genug Mut hat, das anzumelden.» Denn auch wenn die Arbeitgeber rechtlich zur Gewährung des Vaterschaftsurlaubs verpflichtet sind, fehlen die frisch gebackenen Väter dann am Arbeitsplatz. Das sei besonders für KMU und kleinere Familienfirmen nicht einfach verkraftbar.
Dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern den Vaterschaftsurlaub verbieten, glaubt Theunert zwar nicht. Aber: «Gewisse Arbeitgeber bringen wohl subtil zum Ausdruck, dass es schon besser wäre, wenn ein Vater den Urlaub nicht bezieht und dabei auch an seine Karriere denken sollte.»
Auch Daniela Aloisi von der Sozialversicherungsanstalt Zürich erzählt: «Viele Väter sagen uns am Telefon, dass ihr Arbeitgeber dem Vaterschaftsurlaub gegenüber kritisch eingestellt sei. Das dürfte dazu geführt haben, dass der eine oder andere Vater 2021 auf seinen Anspruch verzichtet hat.»
Darüber hinaus sei der Vaterschaftsurlaub bereits drei Monate nach der entsprechenden Abstimmung angenommen worden. «Das ist eine sehr kurze Zeitspanne. Jede neue Leistung braucht eine gewisse Zeit, um sich zu etablieren.»
Anmeldungen der Väter dürften steigen
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt einen weiteren Grund für den harzigen Start des Vaterschaftsurlaubs in der Schweiz ins Feld. Das BSV spricht von insgesamt 98 Millionen Franken, die im vergangenen Jahr für rund 42'000 Väter abgerechnet wurden. Die Zahl sei jedoch provisorisch und dürfte sich in den kommenden Monaten noch erhöhen. Denn Väter können den Vaterschaftsurlaub innerhalb von sechs Monaten ab Geburt beziehen und ihren Anspruch auf Entschädigung erst nach Bezug des letzten Urlaubstages geltend machen. Entsprechend sind viele Urlaubsbezüge nach Geburten im 2021 noch gar nicht abgerechnet.
Für die Zukunft zeigt sich eine steigende Tendenz, wie auch Daniela Aloisi ausführt. «Im ersten Quartal 2022 haben wir in Zürich bereits 1800 Anmeldungen von Vätern bekommen. Das sind deutlich mehr als im Vorjahr und zeigt, dass sich die Leistung langsam etabliert.» Im zweiten Jahr nach Einführung dürften sich wohl deutlich mehr Männer für den Vaterschaftsurlaub anmelden.