Traditionellerweise treffen sich die Zürcher Genossinnen und Genossen im altehrwürdigen Zürcher Volkshaus zu ihren Versammlungen. Die Kantonalpartei hat am Donnerstag dort in einem der nüchternen Konferenzsäle offiziell ihren Zürcher Wahlkampf eröffnet. Eher nüchtern war auch die Stimmung unter den Parteimitgliedern, Wahlkampf-Euphorie war im sogenannten weissen Saal wenig zu spüren.
«Das ganze Land hat verloren, nicht die SP»
Haben die jüngsten Wahl- und Abstimmungsniederlagen den Genossen aufs Gemüt geschlagen? Stellt man diese Frage der ebenfalls anwesenden Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, sagt sie: «Welche Niederlagen?» Und angesprochen auf die AHV-Abstimmung doppelt Badran nach. «Es schmerzt, aber nicht wegen der Partei. Nicht die SP hat verloren, sondern Millionen von Rentnern und Rentnerinnen haben verloren; das ganze Land hat verloren.»
Anja Gada, seit einem Jahr bei der SP, sieht in der Niederlage sogar eine Chance für die Partei. «Die AHV-Vorlage hat gezeigt, dass die Mehrheit von weissen, alten Männern Frauen überstimmt haben und feministische Anliegen nicht ernst genommen wurden. Dies gibt unserer Partei auch einen Aufschwung für die kommenden Wahlen.»
Alles Schönrederei?
Werden hier Niederlagen schöngeredet, Machtverlust in Gewinn umgedeutet? Nicht alle sehen das so. Andreas Burger zum Beispiel sagt zur AHV-Niederlage klipp und klar: «Wir haben falsch argumentiert, in einer Argumentation, welche nicht mehr zeitgemäss ist.» Zudem sei die Gleichstellungsthematik der falsche Fokus gewesen. Man hätte viel mehr auf die Finanzierung fokussieren sollen.
Das Problem ist, dass wir es nicht schaffen, bei gewissen Themen wahrgenommen zu werden.
Auch bei anderen Themen ortet der Zürcher Sozialdemokrat Missstände bei der Kommunikation, beispielsweise beim Thema Corona, wo die SP dafür sorgte, dass den KMUs schnell und unbürokratisch unter die Arme gegriffen wurde oder beim Thema Europa, mit welche sich nun die Grünliberalen profilieren. «Das Problem ist, dass wir es nicht schaffen, bei diesen Themen wahrgenommen zu werden.»
Zuversicht bei den Genossen und Genossinnen
Burger ist nicht der einzige, der so denkt. Tue Gutes und rede darüber, das müsse vermehrt das Motto sein, sagt auch Monika Wicki. «Wir könnten uns pointierter äussern, wollen aber auch nicht populistischer werden.» Genosse Matthias Sagi-Kiss unterstützt sie. «Man muss den Menschen klarmachen, dass die SP für ihre Anliegen kämpft. Anscheinend ist dies zu wenig angekommen.»
Der Tenor bei vielen Zürcher Genossinnen und Genossen gestern im weissen Saal – die SP setzt die richtigen Themen, aber kann sie zu wenig gut beim Volk verkaufen. Hingegen sind alle Befragte überzeugt, dass nach den teils happigen Wählerverlusten kantonal und national die Talsohle erreicht ist. So sagt Genossin Barbara Bussmann: «Ich gehe nicht davon aus, dass die SP verlieren wird.»
Auch Badran zeigt sich optimistisch. «Ich bin zuversichtlich. Die Forderungen der SP – AHV, Frauenstimmrecht, UNO-Beitritt, Fristenlösung – werden irgendwann in der Mitte der Gesellschaft angekommen sein und Realität werden. Wir gewinnen langfristig sowieso.» Bei ihr scheinen kurzfristige Wahlresultate keine so wichtige Rolle zu spielen, bei der Basis doch schon eher.