Vom Lohn eines Richters oder einer Richterin in der Schweiz fliesst immer auch ein Teil in die Parteikasse jener Partei, für die sie gewählt wurden. Diese Mandatssteuer ist in der Schweiz umstritten – Kritiker sprechen von Ämterkauf. Die Richterinnen und Richter im Kanton Jura haben nun gemeinsam angekündigt, diese Mandatssteuern nicht mehr zu bezahlen.
Die Ankündigung kam im Herbst, in einem Brief an das Kantonsparlament –unterschrieben von allen Richterinnen und Richtern sowie den Staatsanwälten. Sie wollten damit ihre Unabhängigkeit wahren, hiess es im Brief.
Die CVP und die SP sind auf das Geld angewiesen
Dass nun kein Geld mehr in die Parteikassen fliessen soll, das kommt bei den grössten Parteien im Jura, der CVP und der SP, nicht gut an. SP-Präsident Jämes Frein rechnet vor: «Die Beiträge der Richter betrugen 20'000 Franken pro Jahr. Auf vier Jahre sind das 80'000 Franken – das entspricht dem Budget für die nationalen Wahlen.»
Auch die CVP verliert so zwischen 10'000 und 20'000 Franken pro Jahr. Die Abschaffung der Mandatssteuern stiess im Jura nur bei der kleineren Christlich-sozialen Partei auf Zustimmung – die meisten Parteien sind verärgert.
Die Richter fällen ihre Urteile nicht aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit.
Dies auch, weil für sie klar ist: Man habe nie Einfluss auf Richter genommen. CVP-Generalsekretär Gauthier Corbat: «Die Richter haben ihre Erfahrungen und ihre Überlegungen. Darauf gestützt fällen sie ihre Urteile und nicht aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit.» Das Argument der Unabhängigkeit lasse er deshalb nicht gelten.
Das grundsätzliche Problem mit den Mandatssteuern: Richterinnen und Richter werden von den Parlamenten gewählt. Wer in ein solches Amt will, kommt an einer Partei nicht vorbei. Weil also die Parteien entscheiden, hatte die Abschaffung der Mandatssteuer bislang keine Chance. Und das, obwohl auch auf nationaler Ebene die Richter die Mandatssteuern nicht mehr wollen.
Wir erachten dies in dieser Form als nicht länger vertretbar.
Patrick Guidon, Präsident der Schweizerischen Vereinigung der Richterinnen und Richter SVR formuliert es so: «Wir sind uns bewusst, dass diese Beiträge für die Parteifinanzierung wichtig sind, wir erachten dies jedoch in dieser Form als nicht länger vertretbar.»
Die Richtervereinigung hat deshalb einen indirekten Gegenvorschlag zur Justizinitiative angeregt. Das Parlament soll Bundesrichterinnen und Bundesrichter weiterhin wählen, aber eine Fachkommission soll eine Vorauswahl treffen. Im Gegenvorschlag ist weiter festgehalten, dass «Alternativen» zu den Mandatssteuern geprüft werden sollen. Wenn den Parteien Geld fehle, könne man zum Beispiel auf Bundesebene die Fraktionsbeiträge erhöhen, schlägt Patrick Guidon von der Richtervereinigung vor.
Es geht nicht, dass sie einfach nicht mehr zahlen, aber sich nichts daran ändert, dass sie für die Wahlen dann doch bei uns anklopfen.
Auf kantonaler Ebene, im Jura ist jedoch kein Ausgleich vorgesehen. Die Parteien hoffen auf freiwillige Spenden vonseiten ihrer Richter. Und sie überlegen sich, Richter und Parteien ganz zu entkoppeln, auch beim Wahlsystem. Gauthier Corbat, Generalsekretär der CVP Jura: «Wenn man diese Rückerstattungen an die Parteien nicht mehr zahlen will, dann muss auch das Wahlsystem auf den Tisch. Es geht nicht, dass sie einfach nicht mehr zahlen, aber sich nichts daran ändert, dass sie für die Wahlen dann doch bei uns anklopfen.»
Die Richterinnen und Richter im Jura haben einen ersten Schritt gemacht. Die Verärgerung bei den Parteien zeigt aber, dass es nicht einfach werden dürfte, den Mandatssteuern in der Schweiz ein Ende zu bereiten.