Der Schweiz fehlen Tausende Zivilschützer. Seit Beginn dieses Jahres gilt nämlich eine verkürzte Dienstpflicht, 14 Jahre statt wie bisher 20 Jahre. Zudem wird auch immer weniger Nachwuchs rekrutiert. Rezepte gegen die Personalknappheit werden auf Bundesebene seit Monaten diskutiert. Einige Politikerinnen und Politiker fordern zum Beispiel eine allgemeine Dienstpflicht für Frauen und Männer. Der Bundesrat möchte Zivildienstleistende im Zivilschutz einsetzen.
Der Kanton Aargau will nicht auf Lösungen aus Bundesbern warten. Im neuen Zivilschutzgesetz hat die Aargauer Regierung eine eigene Lösung parat: Sie will Frauen und auch ausländische Bürgerinnen und Bürger mit Niederlassungsbewilligung zu einem obligatorischen Informationstag aufbieten. An diesem «Sicherheitstag» sollen die Aufgaben von Zivilschutz, Samariterdienst oder Feuerwehr präsentiert werden. Die Bevölkerung soll so zu freiwilligem Dienst beim Bevölkerungsschutz animiert werden.
Obligatorisches Aufgebot für freiwilligen Dienst
Politisch ist dieses Vorgehen umstritten. Die Aargauer SVP zweifelt am Erfolg, die Grünen kritisieren die einseitige Ausrichtung auf das Thema «Sicherheit». Damit steht die Aargauer Regierung – wie die am Wochenende abgeschlossene Anhörung bei Parteien und Verbänden zeigt – bereits im Gegenwind. Es gibt aber noch eine zweite Hürde: Die Idee ist auch rechtlich heikel.
Das Problem: Der Info-Anlass soll obligatorisch sein. So, wie die dienstpflichtigen Schweizer Männer zu einem Orientierungstag aufgeboten werden, so sollen auch Frauen und Ausländer zu diesem Info-Tag aufgeboten werden. Wer nicht kommt, bezahlt eine Busse von 500 Franken. Allerdings sind Frauen und Ausländer ja eben gar nicht dienstpflichtig.
Erlaubt die Verfassung diesen Info-Tag?
Die Idee aus dem Aargau ist nicht ganz neu. Die zuständige Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MZF) aller Kantone hatte sie vor einigen Jahren bereits diskutiert und verworfen, erklärt Geschäftsführer Alexander Krethlow: «Die Konferenz hat 2017 und 2018 gemeinsam mit dem VBS mehrere Konzepte geprüft.» Ein Rechtsgutachten sei damals zum Schluss gekommen, dass ein obligatorischer Orientierungstag für Frauen eine Verfassungsänderung bräuchte.
Die Einführung eines obligatorischen Orientierungstags für Schweizerinnen stellt einen erheblichen Eingriff in die (...) persönliche Freiheit dar. Da mildere Massnahmen zur Erreichung der Zielsetzungen bestehen, erweist sich der obligatorische Orientierungstag als nicht erforderlich und damit verfassungswidrig.
So gesehen wäre auch ein obligatorischer Informationstag über Zivilschutz und Feuerwehr für Frauen und Ausländer nicht rechtskonform. Allerdings: Im Aargau sieht man es anders. Die Pflichten von Bürgerinnen und Bürgern könne man auch auf kantonaler Ebene regeln, unabhängig vom Geltungsbereich der national festgelegten Militärdienstpflicht, heisst es auf Anfrage von SRF beim zuständigen Departement. So gibt es im Aargau grundsätzlich eine Feuerwehr-Dienstpflicht für alle niedergelassenen Einwohnerinnen und Einwohner.
Alexander Krethlow und die meisten Kantone folgen dieser Argumentation nicht. Sie warten auf Bundesbern, auf eine allfällige Verfassungsänderung. Krethlow lobt aber den Kanton Aargau für sein forsches Vorgehen: «Aus meiner persönlichen Sicht ist das ein wertvoller Schritt. Diese Gedanken aus dem Aargau könnten sehr fortschrittlich und hilfreich sein für eine vertiefte Integration der Frauen in unser Dienstpflicht-System.» Denn – darin sind sich die Kantone einig – gegen den Personalmangel beim Zivilschutz sind schnell neue und gute Ideen gefragt.