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Personenfreizügigkeit im Fokus EU macht Druck auf die Kantone

  • Wer aus einem EU-Staat darf in der Schweiz wohnen und arbeiten? Dieser Streit um die Personenfreizügigkeit ist neu entbrannt.
  • Die EU hat ein «Sündenregister» erstellt und verlangt von vielen Kantonen, ihre Praxis zu ändern. Das kommt nicht gut an.

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EU rüffelt Kantone: Neuer Streit um die Personenfreizügigkeit
Aus Rundschau vom 31.01.2018.
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Welche Unterlagen darf ein Kanton von einem EU-Bürger verlangen, wenn dieser in der Schweiz eine Stelle antreten will? Nur zwei, sagt die EU: Gemäss dem Personenfreizügigkeits-Abkommen genügen ein gültiger Ausweis und eine Arbeitsbestätigung.

Sündenregister der Kantone

Die EU hat nun alle Kantone überprüft und eine Art Sündenregister erstellt. Auf 19 Seiten listen die Beamten fein säuberlich für jeden Kanton Verstösse gegen das Personenfreizügigkeits-Abkommen auf. Die Liste zeigt unter anderem: Besonders oft verlangen Kantone Miet- oder Arbeitsverträge.

Nach einer Intervention der EU-Kommission hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Kantone im Oktober angewiesen, ihre Praxis anhand der EU-Liste anzupassen. Die Kantone wollen aber weiterhin zusätzliche Nachweise von EU-Bürgern einfordern, auch wenn dies im Abkommen nicht vorgesehen ist.

Kantone pochen auf «gewissen Spielraum»

Marcel Suter, Präsident der Vereinigung der Kantonalen Migrationsämter, sagt der «Rundschau»: «Wenn man das formaljuristisch anschaut, verstossen gewisse Kantone gegen das Freizügigkeitsabkommen. Wir sehen aber einen gewissen Spielraum in der Auslegung des Abkommens. Diesen möchten wir gerne beibehalten.»

Es geht laut Suter um «praktische Lösungen». So könnten Arbeitsverträge für eine spätere Arbeitsmarktüberprüfung verwendet werden oder Mietverträge würden an die Einwohnerkontrolle der Gemeinde weitergeleitet.

Die EU ist sehr wohl in der Lage und vor allem willens, uns zu piesacken.
Autor: Philipp Müller Ständerat Aargau (FDP)

Die EU pocht jedoch auf die genaue Einhaltung des Vertrages. Droht damit ein neuer Streit mit der EU? Für Ständerat Philipp Müller (FDP/AG) ist dies ein realistisches Szenario: «Wir haben es im Dezember gesehen bei der Börsenäquivalenz. Die Europäische Union ist sehr wohl in der Lage und vor allem willens, uns zu piesacken.» Müller stellt aber auch fest: «Der Vertrag wurde damals so ausgehandelt. Wenn man den Vertrag ändern will, muss man verhandeln.»

Tessin pocht auf seine Sicherheit

Mit einem besonders langen Eintrag im Sündenregister hat die EU den Sicherheitsdirektor im Kanton Tessin, Norman Gobbi, versehen. Dieser lässt sich auch durch die Hinweise aus Brüssel nicht beeindrucken: «Nein, wir werden unsere Praxis sicher nicht anpassen. Es ist im Interesse des Kantons, diese Kontrollen sicherzustellen», sagt Gobbi.

So müssen Angestellte und Grenzgänger aus der EU für eine Aufenthaltsbewilligung im Tessin weiterhin in jedem Fall Mietvertrag, Arbeitsvertrag und einen Strafregisterauszug einreichen. Schikane sei das nicht, wehrt sich Gobbi und verweist auf schwere Straftäter, die vom Kanton ferngehalten werden konnten. Ausserdem könnten die Behörden anhand der zusätzlichen Unterlagen Arbeits- und Mietbedingungen kontrollieren.

Strafregisterauszug für EU-Bürger neu in vier Kantonen

Nun zeigt sich: Während der Kanton Tessin weiter am Strafregisterauszug festhält, verlangen ihn neu auch die Waadt, Basel-Landschaft und Basel-Stadt, allerdings in Verbindung mit einer Selbstdeklaration. Die drei neu dazugekommenen Kantone stellen sich auf den Standpunkt, dies sei so mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar.

Solche kantonalen Verstösse gegen das Freizügigkeitsabkommen verärgern die EU zusehends. Der Botschafter der EU in Bern, Michael Matthiessen, machte schon letztes Jahr gegenüber der «NZZ» klar, mit dem Strafregisterauszug werde «eine Grenze überschritten». Damals wurde die EU besänftigt, indem der Bundesrat versicherte, der Missstand werde behoben.

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Der Tessiner Staatsrat Norman Gobbi an der «Rundschau»-Theke
Aus Rundschau vom 31.01.2018.
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