Die Schweiz ist stolz auf ihr sauberes Wasser. Aber der neue Bericht des Bundesamts für Umwelt (Bafu) über das Grundwasser wirft nun die Frage auf, ob dies noch gerechtfertigt ist.
Denn unten im Grundwasser sammelt sich, was der Mensch oben in den Boden gelangen lässt: Pflanzenschutzmittel und Nitrat aus der Landwirtschaft, sogenannte organische Verbindungen aus Gewerbe, Industrie und Verkehr, aber auch Arzneimittel, die Kranke über ihren Urin ausscheiden, und die via Abwasserreinigungsanlagen und Flüsse ins Grundwasser einsickern.
«Grundwasser ist unter Druck»
Die Fachleute des Bafu warnen im Bericht: «Das Grundwasser ist unter Druck». Ist ein Stoff erst einmal im Grundwasser, kann es lange gehen, bis er daraus wieder verschwindet. Das Pflanzenschutzmittel Atrazin wurde 2007 verboten, aber noch immer ist es und seine Abbauprodukte im Grundwasser leicht nachweisbar.
Will man sauberes Wasser, müsste man dafür sorgen, dass gar nichts mehr nach unten dringt. Im Fokus steht dabei die Landwirtschaft: Pflanzenschutzmittel werden zwar an den meisten Messstellen nachgewiesen, nämlich an 53 Prozent, in Ackerbaugebieten sind es aber 95 Prozent.
Diese deutlichen Zahlen kommen zu einem politisch brisanten Zeitpunkt. Denn es stehen zwei Initiativen an, welche den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz massiv verringern, beziehungsweise ganz verbieten wollen: Die Initiative für sauberes Trinkwasser und die Pestizid-Initiative.
Keine Gegenvorschläge in Sicht
Beide Initiativen würden bei einer Annahme das Schweizer Agrarsystem radikal in Frage stellen, beziehungsweise umpflügen. Es wäre «das Ende der schweizerischen Landwirtschaft, wie sie heute existiert», sagt Bauernverbandspräsident Markus Ritter. Kein Wunder, dass der Schweizerische Bauernverband die Initiativen bekämpft – und auch um gar keinen Preis einen Schritt auf die Initianten zugehen, sprich einen Gegenvorschlag zulassen will. Er pokert, alles oder nichts.
Doch die Stimmung in der Bevölkerung ist nicht zu unterschätzen: Das Thema betrifft jeden und jede, wir alle trinken jeden Tag Wasser. Und wir alle wollen dabei kein schlechtes Gefühl haben. Die Bauern tun gut daran, dies ernst zu nehmen. Klarer aufzuzeigen, dass ihnen sauberes Wasser wichtig ist. Sonst könnte das Pokerspiel nächstes Jahr an der Urne zum Bumerang werden.