Wer den aktuellen Versorgungsbericht für das Gesundheitspersonal liest, dem wird schnell klar: Es wird gewarnt. Gewarnt vor Engpässen in der Pflege.
Dies ist nichts Neues, weshalb in den letzten Jahren auch die Nachwuchsrekrutierung stark verbessert werden konnte. Das Problem: Viele Pflegende steigen bereits nach wenigen Jahren aus ihrem Beruf aus. So liegt die aktuellste Ausstiegsquote bei diplomierten Pflegefachpersonen zwischen 20 und 24 Jahren bei 36 Prozent, bei den 25 bis 29-Jährigen über 27 Prozent und bei bis 34-Jährigen bei 34.5 Prozent.
Es ist, wie wenn man ein Sieb mit Wasser füllen will.
Genau dagegen will die Pflege-Initiative ankämpfen. Sie gewährleiste qualifiziertes Personal und sichere die Pflegequalität, die aktuell gefährdet sei, teilte das Ja-Komitee heute an seiner Pressekonferenz mit.
Über 11'000 Stellen seien zurzeit unbesetzt. Die Pflegenden seien chronisch überlastet, erschöpft und frustriert, sagt das Komitee. Die Unterbesetzung von Pflegenden werde zum belastenden Dauerzustand für jene, die blieben.
Der Gegenvorschlag des Bundes bringe mit seiner Bildungsoffensive zwar gute Argumente ein, reiche aber bei Weitem nicht aus, um den Notstand zu beenden. Es sei, wie wenn man ein Sieb mit Wasser füllen wolle, sagt Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK). Ausbildung alleine reiche nicht. Der Beruf und die Arbeitsbedingung müssten besser und interessanter werden.
Aufgaben einer Schicht fast nicht zu bewältigen
Dem pflichtet auch Timon Nielsen bei. Er arbeitete 20 Jahre lang in der Pflegebranche und möchte diese Zeit nicht missen – aber die Arbeitsbedingungen seien zusehends schlechter geworden.
Nielsen sagt, es habe nicht den einen Moment gegeben, der ihn habe merken lassen, dass er nicht mehr könne. Der Prozess sei schleichend gekommen. Die Aufgaben, die in einer Schicht hätten bewältigt werden sollen, waren kaum mehr tragbar.
Für alles hatte Nielsen zu wenig Zeit. Und es ging sogar so weit, dass er nicht einmal mehr wusste, wen er überhaupt pflegte. Auch selbst wurde er zunehmend resignierter, war nicht mehr glücklich und entschied schliesslich, eine Schreinerei aufzumachen. Sein Appell: Es ist höchste Eisenbahn für ein Ja zur Pflege-Initiative.
Die Pflege ist ein schöner Beruf, in dem einem viel Dankbarkeit entgegengebracht wird.
Trotz all dieser Widrigkeiten arbeiten Diana Carlini und ihre Freundinnen gerne in der Pflege. Es sei ein schöner Beruf, in dem einem viel Dankbarkeit entgegengebracht werde. Auch Deborah Bächler ist der Meinung, die Wertschätzung der Patienten sei gross.
Die Studentinnen sehen jedoch die Problematik, die der Job mit sich bringt: Unterbesetzung, Stress, geringe Löhne und teils zu wenig Zeit, um richtig zu pflegen. Die Zukunft in ihrer Branche macht den Studentinnen zum Teil Sorgen. Nicht nur in Bezug auf sich selbst, sondern auf die Pflegesicherheit allgemein. Sie wisse nicht, wie die Pflegesicherheit in ein paar Jahren aussehen wird, gerade auch mit Blick auf ihre Eltern und Grosseltern, sagt Valérie Wyss.
Ob die Pflege-Initiative angenommen wird oder das Volk den Gegenvorschlag vorzieht, wird sich zeigen. Sicher bleibt: Die Pflege und die Gewährleistung der Qualität in dieser Branche wird auch nach Corona eine Frage sein, mit der sich die Gesellschaft auseinandersetzen wird.