Ein Vollzeitjob bedeutet normalerweise, jede Woche während fünf Tagen um die 40 Stunden zu arbeiten. Jedes Jahr gibt es vier bis fünf Wochen Ferien. Von solchen Bedingungen kann Denise Maurer nur träumen. Die 59-Jährige pflegt ihren schwerbehinderten Sohn Darcy vom frühen Morgen bis spätabends und auch in der Nacht.
Zum Tag der pflegenden Angehörigen erzählt sie, wie ihr Tagesablauf aussieht.
07:00 Uhr Aufstehen
Darcy wird in der Nacht künstlich beatmet. Dabei kann es vorkommen, dass das Gerät Alarm schlägt, weil die Beatmung unterbrochen wurde. Sofern es eine Nacht ohne Alarm war, kann Denise Maurer bis 07:00 Uhr schlafen. Danach trinkt sie einen Kaffee und macht die zahlreichen Medikamente für ihren Sohn parat.
08:00 Uhr Medis, Inhalieren, Lunge absaugen
Denise Maurer weckt Darcy. Erst muss er vom Beatmungsgerät getrennt werden. Danach saugt die Mutter Schleim aus seiner Lunge, wechselt den Verband der Magensonde, gibt ihm seine Medikamente und inhaliert mit ihm. Darcy leidet unter Asthma. Diese Prozedur dauert rund anderthalb Stunden.
09:30 Uhr Rasieren, Körperpflege
Die Spitex übernimmt. Rasieren, Körperpflege, Kleider anziehen. In dieser Zeit hat Denise Maurer Zeit für sich. Sie erledigt den Haushalt, füttert die Haustiere.
11:00 Uhr Morgenessen
Zusammen mit den Spitexangestellten hievt sie ihren 34-jährigen Sohn in den Rollstuhl. Damit ist er dann bereit für das Frühstück. Darcy isst ein Joghurt. Seine Mutter kommt noch nicht zum Essen. «Ich muss dann jeweils seine künstliche Ernährung anstecken. Weil die läuft dann während vier Stunden», sagt Maurer.
14:00 Uhr Gemeinsam kochen
Darcy kann nur den linken Arm bewegen. Er hilft in der Küche so gut es geht. «Zum Beispiel das Gemüse in die Pfanne kippen, oder etwas in einer Schüssel umrühren», das gehe, wenn nichts dazwischenkommt, erzählt seine Mutter. Denn: «Wenn er einen epileptischen Anfall hat, kann er natürlich nicht helfen.»
Neben seinen körperlichen Einschränkungen ist Darcy auch geistig behindert. Das Verhalten des 34-Jährigen gleicht dem eines Kleinkindes.
16:00 Uhr Essen
Läuft alles wie geplant, können nun Mutter und Sohn gemeinsam essen. Für die Mutter ist es die erste Mahlzeit am Tag. «Mein Magen hat sich daran gewöhnt», sagt sie und lacht.
Danach basteln sie etwas, machen ein Spiel oder gehen in den Garten.
17:30 Uhr Lungentherapie
Darcy trainiert spielerisch seine Lunge: Er bläst mit einem Strohhalm Luftblasen in ein Glas mit Wasser oder pustet bunte Federchen vom Tisch.
«Danach muss ich schauen, dass ich mit Zähneputzen, Gesicht- und Händewaschen vorwärtsmache, dass die Spitex wieder übernehmen kann», sagt Maurer.
18:00 Körperpflege
Die Spitexangestellten kümmern sich um die weitere Körperpflege und bereiten Darcy für die Nacht vor.
20:00 Feierabend
Darcy ist im Bett. «Dann habe ich Feierabend», sagt seine Mutter und fügt an: «Bis um 22:00 Uhr»
22:00 Medikamente, Beatmung
Darcy erhält seine Medikamente für die Nacht. Seine Mutter startet das Gerät für die künstliche Beatmung. Nun sollte Darcy schlafen. Sollte. Wenn er aufgedreht sei, zum Beispiel nach einem Geburtstag in der Familie, schlafe er noch lange nicht ein. «Aber er weint dann nicht. Wenn er nicht schlafen kann, zieht er seine geliebten Musikdosen nacheinander auf und singt.» Kommt die Mutter dann in sein Zimmer und ermahnt ihn zu schlafen, grinst er verschmitzt.
Denise Maurer: «Durch Darcy habe ich gelernt im Moment zu leben. Mir geht es sehr gut.»