Die Stimmung ist schlecht bei der Spitex MBS, die im Raum Beromünster im Kanton Luzern tätig ist. In den letzten zwei Jahren haben 29 Mitarbeiterinnen gekündigt. Eine davon ist Selina Bolliger. Die diplomierte Pflegefachfrau hat genug. Ende Monat hört sie auf. Zu gross sei die Arbeitsbelastung, zu schlecht die Führung der Spitex.
Das habe viele bewogen, zu kündigen: «Das Team wurde fast komplett ausgewechselt. Wir haben das Vertrauen der Leitung nicht gespürt.» Zudem seien die Kompetenzen, wer was macht, nicht geregelt gewesen.
Wir haben das Vertrauen der Leitung nicht gespürt.
Es seien Fehler passiert, gibt die Geschäftsleiterin der Spitex MBS, Daniela Hunziker zu. Das habe auch mit der Fusion zu tun, die die Spitex MBS hinter sich habe. Neben den beiden Luzerner Gemeinden Beromünster und Rickenbach sind auch die Gemeinden Büron und Schlierbach neu dabei.
In dieser Zeit, als sich so vieles veränderte, sei der Austausch zwischen den Mitarbeiterinnen und der Spitexführung zu kurz gekommen. Für die Mitarbeiterinnen habe man nun eine neutrale Ombudsstelle geschaffen - der Führungscrew einen Coach an die Seite gestellt.
Pflege zu Hause ist anspruchsvoller
Dass dies reicht, bezweifelt Giuseppe Reo, Regionalsekretär der Unia Zentralschweiz: «Es braucht geregelte Arbeitsbedingungen im Sinne eines Gesamtarbeitsvertrags. Und es braucht eine starke Professionalisierung der Leitung und des Vorstands der Spitex». Er kenne wenige Spitex-Organisationen, die tadellos funktionieren, bilanziert er.
Eine Fusion, wie es die Luzerner Spitex MBS erlebte, sei kein Einzelfall, sagt Marianne Pfister, Geschäftsführerin Spitex Schweiz. Die Spitex-Branche sei stark gewachsen: «Vor 25 Jahren kannte man noch die Gemeindeschwester, welche für die Pflege in einer Gemeinde zuständig war. Heute übernehmen dies Spitex-Organisationen. Sie sind inzwischen grosse Unternehmen. In urbanen Gebieten hat die Spitex über 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.»
Die Coronapandemie sorgte zwar für eine höhere Belastung des Pflegepersonals. Aber sie ist nicht der Hauptgrund, weshalb viele Spitexorganisationen an den Anschlag kommen. Die Aufgaben haben sich in den letzten Jahren massiv verändert, wurden komplexer und anspruchsvoller.
Devise «ambulant vor stationär» als Knacknuss
Viele Spitäler haben die Devise «ambulant vor stationär». Sie schicken ihre Patientinnen und Patienten schneller nach Hause. Somit übernimmt die Spitex viele Aufgaben, die die Spitäler früher erledigten.
Wir können beispielsweise zu Hause Infusionen machen, bei kleinen Kindern eine Dialyse.
Sie hätten das Leistungsangebot anpassen müssen, weil medizintechnisch zu Hause viel mehr möglich sei, sagt Marianne Pfister. «Wir können beispielsweise zu Hause Infusionen machen, bei kleinen Kindern eine Dialyse.»
Spitex fordert mehr Geld
Die zusätzlichen Aufgaben würden sich auch in den Zahlen widerspiegeln: Seit 2014 hätten sie schweizweit 57 Prozent mehr Klientinnen und Klienten. Das bedeute auch, dass sie bei der Spitex mehr Stunden leisten müssen. Diese seien um 50 Prozent gestiegen. Es brauche also mehr Personal und mehr Fachleute.
Und genau da hakt es bei vielen Spitexorganisationen: Es gibt immer mehr zu tun, aber zu wenig Personal, und die Löhne sind tief. Die Geschäftsführerin der Spitex Schweiz hat deshalb eine klare Forderung an die Politik: «Wenn man bei den Spitälern ambulant vor stationär fordert, dann müssen die Leistungen, die wir zu Hause erbringen, auch genügend finanziert werden».