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Pflegepersonalmangel Pflege-Lehrlingslöhne sollen im Baselbiet 10 Prozent steigen

Zehn Prozent höhere Löhne sollen die Pflege-Lehre attraktiver machen. Das empfiehlt der Baselbieter Verband den Heimen.

Baselland hat die zweitälteste Bevölkerung der Schweizer Kantone, hinter dem Tessin. In den nächsten 25 Jahren dürfte sich die Zahl der über 80-Jährigen im Kanton verdoppeln, doch die Altersheime sind bereits recht voll. Die Altersversorgung ist im Baselbiet Aufgabe der Gemeinden, die sich in sogenannten Versorgungsregionen organisieren sollen – was Zeit braucht.

Rollator
Legende: Ein Rollator vor einem Zimmer des Alters- und Pflegeheimes Hofmatt in Münchenstein BL. Keystone/Georgios Kefalas

Angesichts der schon heute schwierigen Personalrekrutierung will der Verband Curaviva Baselland jetzt bei den Lehrlingslöhnen ansetzen: Er empfiehlt den Alters- und Pflegeheimen, diese generell um 10 Prozent zu erhöhen.

80 bis 140 Franken mehr pro Monat

Marc Boutellier ist im Verbandsvorstand und leitet die Stiftung Hofmatt, ein grosses Alters- und Pflegeheim in Münchenstein BL, einem Vorort von Basel. Dieses Haus setzt den Schritt bereits um, der Lernenden je nach Lehrjahr 80 bis 140 Franken mehr im Monat bringt.

Speziell für Lernende aus Familien mit schmalen Budgets sei dieser Betrag ein Argument, sagt er. Bei den Festangestellten sei die Teuerung ausgeglichen worden, aber Lernende-Löhne seien seit 2021 unverändert geblieben.

Die Häuser sind darauf angewiesen, dass sie Junge nachziehen und ausbilden können.
Autor: Rony Hauser Geschäftsführer Curaviva Baselland

Für Curaviva Baselland-Geschäftsführer Rony Hauser ist der Schritt notwendig: «Die Häuser sind darauf angewiesen, dass sie Junge nachziehen und ausbilden können.» Darum müsse es auch möglich sein, das zu finanzieren.

Ausbildungsoffensive mit Bundeshilfe

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Die Bemühungen der Kantone um ausreichend Pflegepersonal gehen auch auf die eidgenössische Pflege-Initiative zurück, die im November 2021 mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 61 Prozent deutlich angenommen worden war. Der Bundesrat beschloss eine gestaffelte Umsetzung mit einer Ausbildungsoffensive als erster Etappe.

Die Empfehlung des kantonalen Verbandes gilt indes nicht nur für Pflege-Lernende, sondern für alle Lernenden in Heimen, also auch im Büro oder der Küche. Dies ist eine Hürde für manche Heime, denn Geld vom Bund gibt es wegen der Pflegeinitiative nur für Pflege-Lernende; Mehrkosten für andere Bereiche müssten sie anders decken.

Pflege-Lernende misst Altersheim-Bewohnerin den Puls
Legende: Vanessa Schaer ist Auszubildende Fachfrau Gesundheit EFZ (FaGe) im Heim der Stiftung Hofmatt in Münchenstein BL. Sie misst den Puls bei der 88-jährigen Bewohnerin Astrid Baumann. Keystone/Georgios Kefalas

Dieses Problem ist auch Marc Boutellier bewusst. Dennoch will er Löhne aller Lernenden erhöhen, damit es gerecht bleibe: «Will man eine Zweiklassen-Gesellschaft im Betrieb, wo die Pflege über allem steht? Da drückt schon der Schuh.»

Ein zweiter Knackpunkt ist das Timing: Der Verband empfiehlt, die Erhöhung auf das Lehrjahr 2025/26 hin umzusetzen. Das ist zum Beispiel dem Alters- und Pflegeheim Mülimatt in Sissach BL zu kurzfristig: Heimleiterin Mireille Dimetto schreibt auf Anfrage, die Empfehlung sei erst Ende Jahr eingetroffen, als die Budgets schon verabschiedet gewesen seien. So schaue das Heim dann im Sommer, ob Geld da ist für höhere Lehrlingslöhne.

Strafen, wer zu wenige ausbildet

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Einige Kantone führen Strafen ein, wenn Pflegeinstitutionen nicht genug Leute ausbilden. Im Kanton Thurgau zum Beispiel diskutiert das Parlament über eine Strafe von 86'000 Franken pro unbesetztem Ausbildungsplatz.

Konkret geht es um die Pflegeausbildung auf Stufe höhere Fachschule HF, also um jene Ausbildung, die gerade Quereinsteigende in die Branche bringen soll.

Anhand einer Studie hat die Thurgauer Regierung ausgerechnet, dass zukünftig bis zu 250 Personen im Jahr ausgebildet werden müssten, damit die Thurgauer Pflegebetriebe auch im Jahr 2030 noch genug Leute haben. Das sind etwa doppelt so viel wie bis jetzt.

Mit einem Schlüssel ist berechnet worden, wie viele Personen jeder einzelne Betrieb ausbilden muss. Wer dieses Ziel nicht erreicht, muss zahlen.

Die Institutionen halten dagegen: Oft würde es genug Ausbildungsplätze geben, aber nicht genug Leute, die eine solche Ausbildung machen wollen. Zudem sei diese Strafe zu hoch, das könnten sie nicht stemmen.

Daumen hoch für die Lohnerhöhungs-Empfehlung des Heim-Verbandes gibt es einerseits von der Föderation Artiset, zu der auch der Schweizer Branchenverband Curaviva gehört, andererseits auch von der Beratungsstelle für Gesundheits-Ausbildung ODA beider Basel: Bereits Lernende würden im Gesundheitswesen verantwortungsvolle Arbeit leisten.

Support vom Schweizer Verband

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Curaviva, der Schweizer Branchenverband der Dienstleister für Menschen im Alter, ist Teil der Föderation Artiset, zu der auch Betreuungsorganisationen für Behinderte sowie Jugendliche und Kinder gehören. Beide geben selber keine nationalen Lohnempfehlungen ab.

Zum Ansatz des Baselbieter Kantonalverbandes heisst es auf Anfrage: «Artiset und Curaviva begrüssen kantonale/regionale Empfehlungen für Löhne für Lernende, die für alle Ausbildungsberufe und über alle Versorgungsbereiche hinweg gelten. Eine solch erfreuliche Entwicklung bedingt als Voraussetzung eine gesicherte Finanzierung der Betriebe. Seit 2012 bestehen jedoch Deckungslücken bei der stationären Langzeitpflege.

Weitere wichtige Aspekte nebst der Entlöhnung sind auch attraktive Ausbildungsplätze, kompetente Begleitung während der Ausbildung und Karriere-Aussichten in den Betrieben.

Beim Entscheid für eine Lehre sei der Lohn jedoch nur ein Faktor, und wahrscheinlich nicht der entscheidende, sagt ODA-Geschäftsführer Johannes Amend. «Unsere Rückmeldung der Lernenden ist, dass ihnen die Begleitung und Betreuung vor Ort sehr wichtig ist». Allen klar ist zudem, dass auch die langfristigen Arbeitsbedingungen zu verbessern sind.

Regionaljournal Basel Baselland, 8.1.2025, 17:30 Uhr ; 

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