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Pflegerin über Coronazeit «Um Patienten zu waschen oder zu drehen, war oft keine Zeit»

Die vierte Corona-Welle sorgt in vielen Schweizer Spitäler für volle Betten. Doch die sind nicht das Problem, denn Betten können aufgestockt werden. Was fehlt, ist das Personal, um die Patientinnen und Patienten zu betreuen. Die Krise erschwert den Fachkräftemangel und zeigt einigen Pflegenden die eigenen Grenzen auf. Die diplomierte Pflegefachfrau HF Nadine Steger erzählt im Interview über ihre Erlebnisse und warum sie kündigte.

Nadine Steger

diplomierte Pflegefachfrau HF

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Die 26-Jährige arbeitet seit drei Jahren als Pflegerin. Während Corona wurde es ihr zu viel und sie kündigte den Job in einem Spital auf der stationären Abteilung. Mittlerweile hat sie eine Stelle in einer Rehabilitationsklinik angenommen. Nebenbei gibt sie Wiedereinstiegskurse für Pflegende aus dem Aargau, die seit drei Jahren aus dem Beruf ausgestiegen sind. Der Kurs wird ausgeführt von der Organisation der Arbeitswelt Gesundheit und Soziales (OdA GS) Aargau.

SRF News: Wie erlebten Sie es im Spital während Corona?

Nadine Steger: Wegen des Personalmangels arbeitete ich beinahe ununterbrochen. Zusätzlich zu den normalen Schichten musste ich im Aufwachraum aushelfen. Zum Essen, Trinken oder Schlafen fand ich fast keine Zeit. In dieser Zeit funktionierten wir wie Maschinen. Trotzdem konnten wir gerade das Allernötigste erledigen. Um Patienten zu waschen oder zu drehen war oft keine Zeit.

Wir mussten Prioritäten setzen und kümmerten uns um die Notfälle. Das ist enorm brutal und ethisch fast nicht vertretbar. Zudem stand ich teilweise vor Situationen mit Patienten, die so komplex waren, dass ich im Grunde gar nicht die Fähigkeiten oder die Kompetenzen hatte, Entscheidungen zu treffen – aber ich war dazu gezwungen. Mit der Zeit wurde es mir zu viel.

Gab es einen Schlüsselmoment, bei dem Ihnen alles zu viel wurde?

Ja, das war im letzten Winter. Uns wurde gesagt, die Aushilfe auf der Aufwachstation dauere nur ein paar Monate, schlussendlich wurden daraus acht Monate. Besonders in der Nachtschicht fühlte ich mich oft machtlos. Denn um diese Zeit waren keine Ärzte auf der Station. In Notfällen konnte ich natürlich Hilfe holen, aber auf Dauer belastete mich die Arbeit körperlich und psychisch zu sehr.

Wenn ich die Augen schloss, sah ich Bilder vor mir und bekam Panikattacken.
Autor: Nadine Steger Diplomierte Pflegefachfrau

Ich merkte, dass ich nicht mehr abschalten kann vom Beruf. Und ich konnte die Ereignisse nicht mehr verarbeiten. Wenn ich die Augen schloss, sah ich Bilder vor mir und bekam Panikattacken. Ich musste eine Entscheidung treffen – und zog einen Schlussstrich, meiner Gesundheit zuliebe.

Sie kündigten?

Ja, denn ich war machtlos gegen das System. Die Überlastung, der ständige Druck, keine Fehler zu machen, keine Erholung für mich und keine Zeit für Patienten. Zudem belastete es mich, meine Kompetenzen zu überschreiten. Das wurde für mich zum ethischen Dilemma. Es ging einfach nicht mehr.

Ich fragte auch die Bereichsleitung, warum sie nichts dagegen mache. Die Antwort war, es seien viele Stellen ausgeschrieben, aber niemand bewerbe sich. Es gehe nicht anders mit dem vorhandenen Personal.

Sie wechseln nun in eine Rehabilitations-Klinik. Können Sie sich vorstellen, in eine stationäre Abteilung zurückzugehen?

Ja, ich liebe meinen Beruf. Doch dafür müssen sich die grundlegenden Bedingungen ändern. Ich hoffe, den Leuten wird bewusst, was passiert, wenn sie die Augen jetzt nicht öffnen. Ich spreche da für ganz viele Pflegende.

Für alle im Gesundheitswesen wünsche ich mir mehr Zeit für Patienten, mehr Erholung und auch mehr Lohn und Anerkennung.

Unser Beruf ist enorm wichtig für die Gesellschaft. Um das auch zu würdigen, wäre es ein schönes Zeichen der Bevölkerung, die Pflegeinitiative anzunehmen. Für alle im Gesundheitswesen wünsche ich mir mehr Zeit für Patienten, mehr Erholung und auch mehr Lohn und Anerkennung.

Das Gespräch führte Sven Niederhäuser.

10 vor 10, 31.8.21, 21:50 Uhr ; 

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