«Menschen mit Flucht-, Migrations- und Gewalterfahrungen brauchen niederschwellige psychosoziale Beratung in ihrer Muttersprache», heisst es beim Verein Paxion, der eine neue Ausbildung und Beratungen für Flüchtlinge organisiert. Geplant sind psychosoziale Beratungen in den Sprachen Tigrinja, Dari/Farsi, Kurdisch, Ukrainisch und Französisch.
Die Beratungen werden von Menschen durchgeführt, die Ähnliches erlebt haben. Die Kantone Aargau und Zug schulen diese Flüchtlinge. 2024 arbeiten diese dann in den neuen Beratungsstellen in Aarau und Zug. Wer eine Ausbildung in Aarau absolviert hat, wird von einer der beiden Beratungsstellen angestellt.
Weniger Psychiatrie, mehr Beratung
Die Pilotprojekte in den Kantonen Aargau und Zug machen den Anfang. Die künftigen Beraterinnen und Berater werden in Aarau in «Valued Based Counselling» weitergebildet. Diese Art der Weiterbildung sei kultursensitiv und lösungsorientiert, sagen die Zuständigen.
Es gehe darum, dass sich die Geflüchteten nach der Beratung selber helfen können, weil sie zum Beispiel ihre Schlafstörung besser verstehen. «In vielen Fällen braucht man keinen Psychiater oder Psychologin», sagt Esther Oester vom Verein Paxion.
Die Ausbildung in Aarau dauert ein Jahr. Nach einer dreimonatigen Theorieausbildung folgt die neunmonatige praktische Ausbildung mit ersten Beratungsfällen. Die erste Ausbildung startet im September 2023. Noch ist Esther Oester, Geschäftsleiterin des Vereins Paxion, auf der Suche nach Schulungsräumen in Aarau.
Mutiger Einstieg
Weiter sucht der Verein rund 20 Frauen und Männer, die sich ausbilden lassen wollen, als transkulturelle, psychosoziale Berater. Im Idealfall bringen diese schon ein Psychologie-Studium mit oder eine Ausbildung im Gesundheitswesen. «Aber wir akzeptieren auch Menschen mit vergleichbaren Erfahrungen. Sie müssen gut Deutsch können, stabil und motiviert sein», erklärt Esther Oester. Der Einstieg benötige etwas Mut, gibt sie zu.
Nacht der Flucht haben die Flüchtlinge oft Schlafstörungen oder Schmerzen.
Das Ziel wäre, dass die ausgebildeten «Counselors» Flüchtlinge beraten, bevor sie psychisch krank werden. Flucht und Krieg traumatisieren die Menschen oft, weiss Esther Oester: «Während der Flucht erleben sie belastende Sachen. Sie wurden in Gefängnissen gefoltert oder sind per Boot übers Mittelmeer geflüchtet. In der Schweiz angekommen, haben sie Schlafstörungen oder Schmerzen – die Ankunft ist oft nicht ganz einfach.»
Rascher helfen können
Flüchtlinge mit psychischen Problemen würden in der Schweiz zwar nicht allein gelassen, sagt Rolf Schmid, Präsident der Hilfsorganisation Netzwerk Asyl Aargau. Aber es ginge meist sehr lange, bis die Leute eine Therapie erhalten. Zudem sei das Erkennen der Erkrankungen schwierig und die Abklärungen dazu dauern.
Es gebe zudem viele Missverständnisse, rein sprachlicher Natur, fügt Esther Oester vom Verein Paxion an. Das sei ein Pluspunkt des Pilotprojekts, das sprachliche und kulturelle Vorwissen der Beratenden, meint auch Rolf Schmid vom Verein Netzwerk Asyl Aargau. Seit vier Jahren läuft die Planung, Vorbild ist ein Projekt aus Deutschland.
Ab 2024 sind die neuen Beratungsstellen in Aarau und Zug offen. Die Kantone Aargau und Zug sowie der Bund unterstützen das Projekt finanziell.