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Pilotprojekt im Asylzentrum Wie die muslimischen Seelsorger arbeiten

Die Barackensiedlung des Bundesasylzentrums im Zürcher Industriequartier wirkt an diesem kaltnassen Nachmittag noch trostloser als sonst schon. Auch der Ort, an dem die Bewohnerinnen und Bewohner des Asylzentrums Trost finden können, ist einfach eine schmucklose, graue Baustellen-Baracke. «Der Ort ist nicht gerade spirituell», sagt auch Seelsorgerin Belkis Osman-Besler. Es gibt einen Spielraum mit Billardtisch und Töggelikasten, daneben kommt der Fitnessraum. Nebenan ist die Schule. «Mittendrin sind wir, die Seelsorge. Bei uns kann man anklopfen, wenn wir da sind», sagt Osman.

Zwei Tage in der Woche ist Zürcher Religionspädagogin mit türkischen Wurzeln als Seelsorgerin hier tätig. Ihr Arbeitsort ist ein schlichter Raum mit drei gepolsterten Stühlen, einem elektrischen Heizkörper und einem Salontisch. «Taschentücher sind wichtig, denn ab und zu weinen die Leute.»

Sie fallen in ein tiefes Loch. Sie da wieder herauszuholen, ist eine grosse Arbeit.
Autor: Belkis Osman-Besler Muslimische Seelsorgerin

Die Bewohnerinnen und Bewohner des Zentrums berichten von Flucht- und Kriegserlebnissen, vom Zusammenleben im Zentrum, von der Angst, der Asylantrag könnte nicht angenommen werden. «Das sind die schweren Fälle», erklärt die Seelsorgerin. «Sie fallen in ein tiefes Loch. Sie da wieder herauszuholen, ist eine grosse Arbeit.»

Muslime vertrauen eher Muslimen

Die Korane und Bibeln im Büchergestell kommen kaum je zum Einsatz. Sowieso gehe es in den Gesprächen eigentlich nie um Religion direkt, so Osman. Aber es sei trotzdem wichtig, dass sie und ihre beiden Seelsorgekollegen eben Muslime seien und arabisch sprechen würden: «Es bildet sich eine andere Basis, wenn sie sehen, dass die Seelsorger auch Muslime sind. Das Vertrauen ist viel schneller da.»

Die Gespräche unterstehen der seelsorgerischen Schweigepflicht. Diese gelte allerdings nicht, wenn die Seelsorger zum Beispiel konkrete Hinweise auf dschihadistische Tendenzen eines Bewohners hätten, so Osman. «Ich hatte noch nie einen solchen Fall.»

Wenn ich merken würde, dass jemand etwas in Planung hat, könnte ich das mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren. Wir wären dann vom Seelsorgegeheimnis entbunden.»

Ein Seelsorge-Café ist geplant

Gemäss dem Evaluationsbericht des Bundes leisten die muslimische Seelsorger einen wichtigen Beitrag, um Extremismus den Nährboden zu entziehen und sie trage zu einem guten Zusammenleben im Asylzentrum bei. Nun muss geklärt werden, wie die muslimische Seelsorge weiterhin organisiert und betrieben werden kann.

Osman kann sich vorstellen, dass sich auch nach dem Ende des Seelsorge-Pilotprojekts weiterhin freiwillig im Zentrum zu engagieren.

«Wir haben vor, mit den anderen Seelsorgern zusammen ein Café aufzubauen. Ich werde bestimmt weiter dabei sein.»

So werden die 300 Asylsuchenden im Bundesasylzentrum Zürich, viele mit einer ungewissen Zukunft, weiterhin jemanden haben, der ihrer Seele Sorge trägt.

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