Mit viel Diplomatie versucht der Bundesrat, die Beziehungen mit der EU zu kitten. Sein Vorschlag, Kontingente für Arbeitnehmer aus Kroatien zu schaffen, stösst aber auf Widerstand. Die SP bezeichnet die vorläufige Lösung als «politische Bastelei», für die SVP ist es ein Kniefall gegenüber der EU.
Der bundesrätliche Vorschlag sei ein erster Schritt zu einer institutionellen Einbindung der Schweiz in die EU, teilte die SVP mit. Dies werde die Partei «mit allen Mitteln bekämpfen».
Mit der faktischen Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien missachte die Regierung den Volkswillen. «Das Volk hat am 9. Februar über das Ende der Personenfreizügigkeit entschieden.»
Der Bundesrat opfere die Selbstbestimmung der Schweiz «für die fragwürdigen Bildungs- und Forschungsprogramme der EU», schrieb die SVP. Diese Verträge seien es nicht wert, ein institutionelles Rahmenabkommen abzuschliessen. Ähnlich tönt es von der EU-kritischen Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS). «Es grenzt an eine Posse: Volk und Kantone sagen Nein zur Personenfreizügigkeit, der Bundesrat weitet sie aus», hiess es. Der Bundesrat trete den Volkswillen mit den Füssen. Die AUNS werde das Ansinnen «EU-Beitritt durch die Hintertür» bekämpfen. Ansonsten verliere die Schweiz als souveräner Staat ihre Glaubwürdigkeit.
Keine stabile Lösung für die SP
Auch von linker Seite kommen kritische Stimmen. Die SP bezeichnet das Vorgehen des Bundesrats als «politische Bastelei». «Der Bundesrat versucht noch zu retten, was zu retten ist», liess sich Vizepräsidentin Jacqueline Fehr in einem Communiqué zitieren.
Die Unsicherheit seit dem Ja zur Zuwanderungsinitiative bleibe bestehen. Bevor der Bundesrat weitere Schritte beschliesse, müsse eine europapolitische Auslegeordnung gemacht werden.
Insbesondere müsse Klarheit herrschen, wie es mit den Abkommen über Erasmus, Horizon2020 und Media weitergehen soll.
Die Grünen bedauern derweil den langen Umweg des Bundesrats. «Es wäre schneller und einfacher gewesen, das Protokoll zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien zu unterzeichnen», teilte die Partei mit. Dieses Protokoll wäre auch kompatibel mit dem Abstimmungsergebnis vom 9. Februar, «weil es selber zwingend Kontingente während mindestens fünf Jahren vorsieht».
CVP wartet auf Ende Juni
Verhalten positiv tönt es von der FDP. «Die Zwischenlösung dürfte zu einer Beruhigung in den Beziehungen mit der EU führen», sagte Mediensprecherin Aurélie Haenni auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Auch wenn die Unsicherheit gross bleibe, sei es ein erster Schritt zur Besserung.
Auch in der politischen Mitte ist man fürs Erste zufrieden. «Wir finden es grundsätzlich gut, dass der Bundesrat die Türe offen lässt für weitere Verhandlungen mit der EU», sagte CVP-Mediensprecher Thomas Jauch auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Ein erster Stolperstein sei aus dem Weg geräumt – zumindest vorläufig. Man müsse den Bundesrat nun arbeiten lassen und abwarten, was für Lösungen er Ende Juni präsentiere, sagte Jauch.
Verbände wollen Schaden begrenzen
Ein wenig erleichtert zeigte sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB): «Es ist wichtig, dass die bilateralen Beziehungen aufrechterhalten werden können», schrieb der SGB in seiner Stellungnahme. Die Zwischenlösung des Bundesrats gehe in die richtige Richtung. «Wir sind immer noch in der Phase, wo Schadensbegrenzung angesagt ist», sagte Jan Atteslander, Chef Aussenpolitik des Wirtschaftsdachverbands economiesuisse auf Anfrage. «Der Vorschlag des Bundesrats werten wir deshalb positiv. Nun müssten mit aller Kraft langfristige Lösungen erarbeitet werden.
Ins gleiche Horn stösst der Schweizerische Gewerbeverband (sgv). Er begrüsst es, dass Fachkräfte aus Kroatien kurzfristig und einfach für den Schweizer Arbeitsmarkt rekrutiert werden können.
Der Vorschlag zeige, dass durchaus Handlungsspielraum für eine flexible und wirtschaftsfreundliche Steuerung der Zuwanderung über Kontingente bestehe.