Das Wichtigste in Kürze
- Im unveröffentlichten Teil des Expertengutachtens zur Postauto-Affäre wird Adriano Vassalli, Vizepräsident des Verwaltungsrates der Post, eine erhebliche Pflichtverletzung vorgeworfen.
- Zwar sagt Vassalli, er habe keine Kenntnis von den Unregelmässigkeiten gehabt. Eine entsprechende Notiz habe er nachweislich nicht erhalten.
- Doch der Bericht wirft ihm auch im Fall, dass er die Notiz wirklich nicht erhalten habe, eine Pflichtverletzung vor, allerdings eine weniger schwere.
Es klingt brisant: Adriano Vassalli habe vor fünf Jahren von heiklen Buchhaltungsmanövern bei Postauto erfahren, steht in dem am Montag veröffentlichten Teil des Experten-Gutachtens zur Postauto-Affäre. Vassalli habe im Sommer 2013 als Leiter des Verwaltungsratsausschusses für Audit und Risiko eine Aktennotiz erhalten. Diese thematisierte die Buchhaltungspraxis und die fragwürdige rechtliche Situation.
Unveröffentlichte Passage
Radio SRF kennt nun auch wesentliche Teile des Gutachtens, die nicht veröffentlicht worden sind. Sie enthalten konkret die rechtliche Würdigung von Vassallis Verhalten. Dort heisst es:
«Daraus ergibt sich insgesamt, dass das Verhalten von Adriano Vassalli als erhebliche Pflichtverletzung zu erachten ist. Sein Verhalten – welches der Praxis im Konzern entsprochen haben mag – lässt sich angesichts der Indizien für die fehlerhafte Buchungspraxis bei Postauto und für den entsprechenden Kenntnisstand im Konzern in diesem Bereich nicht mit den einschlägigen internen und externen Normen vereinbaren.»
Auf Anfrage von Radio SRF beteuert Vassalli hingegen, dass er die belastende Aktennotiz nie erhalten habe. Er habe im Laufe der Untersuchung auch Dokumente vorgelegt, die das belegen würden, allerdings erfolglos.
Am Radio sprechen will Vassalli nicht. Er lässt sich aber schriftlich mit den Worten zitieren: «Ich bin nicht eine Person, die lügt. Ich würde nie etwas Falsches schreiben oder sagen.»
Publikation zu verhindern versucht
Vassalli hatte versucht, die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts in der jetzigen Form zu verhindern. In einem Brief an Post-VR-Präsident Urs Schwaller vom 2. Juni, den Vassalli Radio SRF zur Verfügung gestellt hat, schrieb er: «Sollte meine persönliche oder berufliche Integrität verletzt werden, werde ich gerichtlich vorgehen und überdies alles unternehmen, um meinen guten Ruf wiederherzustellen.»
Schwaller mochte darauf offenbar nicht eingehen. Erfolg hatte der Post-Vizepräsident hingegen bei Bundesrätin Doris Leuthard. Ende Mai konnte er sie bei einem persönlichen Gespräch offenbar überzeugen.
Diesen Montag gab Leuthard zwar Vassallis Abgang aus dem Verwaltungsrat per Frühling 2019 bekannt. Gleichzeitig aber stärkte sie ihm vor den Medien den Rücken. Vassalli habe nachweisen können, dass er die Aktennotiz nicht erhalten habe. «Insofern sind wir zum Schluss gekommen, dass man ihm nicht eine grobe Pflichtverletzung vorwerfen kann», sagte Leuthard.
Streit um Inhalt des Jahresberichts 2013
Die Autoren des Gutachtens belasten Vassalli allerdings nicht nur aufgrund der strittigen Aktennotiz. Auch der «Jahresbericht 2013» der internen Postrevision habe Hinweise auf fragwürdige Gewinne bei Postauto enthalten. Der von Vassalli geleitete Verwaltungsratsausschuss habe den Bericht Anfang 2014 ohne weitere Schritte genehmigt. Die Gutachter folgern im unveröffentlichten Teil ihres Dokuments daraus: «Selbst wenn er die Aktennotiz nicht erhalten hätte, wäre demnach von einer – allerdings minderschweren – Pflichtverletzung auszugehen.»
Vassalli weist im Gespräch mit Radio SRF auch diesen Vorwurf zurück. Der Jahresbericht 2013 der Revisionsstelle habe keine Hinweise auf illegale Buchhaltungen erhalten.
Noch rund ein Jahr im Amt
Das Departement von Doris Leuthard bekräftigt auf Nachfrage schriftlich, dass Vassalli gegenüber der Bundesrätin glaubwürdig habe untermauern können, dass er die Aktennotiz nicht erhalten habe. Der Rücktritt Vassallis per nächsten Frühling sei allerdings «im Kontext aller vorliegenden Informationen» vereinbart worden.
Er werde sich gegen falsche Beschuldigungen wehren, kündigte Vassalli an. Und solange er die Rückendeckung der Postministerin habe, bleibe er wie geplant noch rund ein Jahr im Amt.