Eine 2 ist schwach. Eine 4 ist genügend. Eine 6 hingegen sehr gut. Schulnoten als Bewertung der Schülerinnen und Schüler gibt es in der Schweiz seit über 100 Jahren. Noten seien zwar klar und verständlich – aber nicht mehr zeitgemäss. Dieser Ansicht sind zumindest die politischen und schulischen Behörden der Stadt Luzern. Es brauche neue Lösungen.
Der Stadtrat begründet seine Haltung damit, dass die Note einen langen Lernprozess abschliesse. Die Note reduziere die Beurteilung auf eine einzelne Ziffer. Aus Sicht des Stadtrats sei eine differenzierte Beurteilung ohne Noten deswegen wirksamer und transparenter.
Einige Schulhäuser arbeiten bereits so
Konkret soll es künftig an den Luzerner Primarschulen bei Prüfungen unter dem Jahr keine Noten mehr geben. Die Beurteilung erfolgt mit einem neuen Beurteilungssystem. Im Luzerner Schulhaus Staffeln arbeitet man bereits seit mehreren Jahren so.
Sophie Scherer unterrichtet dort eine 6. Klasse und erklärt: «Wir beurteilen unter dem Jahr mit vielfältigen Formen. Es gibt ein Kriterienraster, das unter anderem Lerngespräche mit den Schülern und eine schriftliche Rückmeldung an die Eltern beinhaltet.» Das Kind werde so nach fachlichen, sozialen und methodischen Kompetenzen bewertet, so Scherer.
Das Kind erfährt aus dem Gespräch, dass es den Vortrag gut aufgebaut hat.
So wisse das Kind genauer, wo es gut sei und wo nicht. Scherer macht ein Beispiel: «Ein Vortrag wird nicht einfach mit einer 5 bewertet. Das Kind erfährt aus dem Gespräch, dass es den Vortrag gut vorbereitet und gut aufgebaut hat. Es weiss aber auch, dass es noch nicht so sicher vor die Klasse gestanden ist.» So sei die Rückmeldung transparenter.
Der Luzerner Stadtrat hat sich aufgrund eines politischen Vorstosses mit der Thematik auseinandergesetzt. In einer Interpellation stellten die Grossstadträtinnen Silvana Leasi (Die Mitte) und Diel Schmid Meyer (Die Mitte) kritische Fragen. Silvana Leasi sieht den Mehrwert des neuen Systems nicht: «Das Notensystem ist ein System, welches die Leute verstehen. Die Eltern verstehen es, die Lehrer verstehen es und auch die Lehrbetriebe. Ich wehre mich nicht grundlegend gegen Reformen, aber die Frage ist: Welchen Mehrwert gibt es?»
«Für Eltern sind Noten klarer»
Und Diel Schmid Meyer befürchtet nach vielen Reformen in der Schule nun einen zusätzlichen Aufwand. «Für die Lehrpersonen sind so unterschiedliche Beurteilungssysteme mit einem Zusatzaufwand verbunden.» Und auch für Eltern seien Noten klarer: «Ausformulierte Beurteilungen können für Eltern schwierig zu verstehen sein. Es gibt auch fremdsprachige Eltern – für diese ist es einfacher, eine 4 oder eine 5 einzuordnen als ganze Textbausteine über die Leistung ihres Kindes.»
In der Beantwortung des Vorstosses hält der Stadtrat nun fest, dass er das klare Ziel verfolge, «die Noten auf ein Minimum zu beschränken». Die Reduktion der Leistung auf eine Zahl sei nicht mehr zeitgemäss. Luzern strebt an, dass sich alle Schulhäuser ab dem nächsten Schuljahr in diese Richtung entwickeln. Es werde den Schulen genügend Zeit gelassen, das Rahmenkonzept Beurteilung «behutsam und sorgfältig» umzusetzen.
Klar ist: Nicht verzichten kann die Stadt Luzern auf ein Zeugnis Ende Semester mit einer Note drin. Das ist im kantonalen Lehrplan vorgeschrieben. Der Stadtrat erklärt: Die Volksschule bleibe selbstverständlich leistungsorientiert und begleite die Schülerinnen und Schüler zu ihrer bestmöglichen individuellen Leistung.