Es sind laute aber weitgehend friedliche Kundgebungen, die fast jeden Tag irgendwo in der Schweiz stattfinden, seit die Türkei in Nordsyrien ihre Offensive gestartet hat. Dabei marschieren auch linksextreme Gruppierungen mit, die sich mit den Kurden solidarisieren. Teils aufgrund ideologischer Nähe zum Gedankengut der autonomen Verwaltung in Nordsyrien, die der Arbeiterpartei PKK zumindest nahe steht.
Bekennerschreiben finden sich auf einschlägigen Seiten im Internet – in den letzten Tagen deutlich mehr: Bezüglich den Strassenblockaden in Bern und Zürich oder den Sprayereien bei mehreren Filialen der Credit Suisse.
Zudem werden auf einer der Websites auch Schweizer Politikerinnen und Politiker genannt und Fotos von ihnen gezeigt, weil sie angeblich, wie es im Artikel heisst, mit «der faschistischen AKP-MHP-Koalition zusammenarbeiten». Direkte Drohungen werden nicht ausgesprochen, doch die Politiker müssten wohl Belästigungen in der Öffentlichkeit oder im Internet fürchten, so ein Beobachter.
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) stellt eine «Intensivierung der Aktivitäten» fest, wie er auf Anfrage der «Tagesschau» schreibt. «Im Zusammenhang mit dem türkischen Angriff auf Nordsyrien mobilisieren nebst kurdischen Gruppen auch gewalttätige linksextreme Gruppierungen für Demonstrationen und Aktionen. Diese Ereignisse können – insbesondere, wenn sie von der gewalttätigen linksextremen Szene initiiert werden – auch gewalttätig verlaufen.»
Demonstrationszug zur türkischen Botschaft
Zu Gewalt ist es etwa am Freitag dem 11. Oktober in Bern gekommen. Dort bestiegen Aktivisten das Glasdach auf dem Vorplatz des Bahnhofs und montierten Spruchbänder. Als sich ein Passant kritisch äussert, wird er von offensichtlich Linksextremen auf dem Platz angegriffen.
Später zieht ein Demonstrationszug zur türkischen Botschaft, darunter auch Linksextreme. In der Nachbarschaft der Botschaft reissen sie Holzlatten aus einem Zaun, werfen diese gegen die Polizei, die die türkische Vertretung abschirmt. An den Holzlatten befinden sich, wie Bilder von TeleBärn belegen, auch rostige Nägel. Nur durch Glück wird niemand verletzt.
Für den Extremismusforscher Dirk Baier von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW wird der Krieg in Syrien von Linksextremen ganz bewusst aufgenommen: «Sie instrumentalisieren diese Vorkommnisse, um dann in der Schweiz Krawall zu machen um einfach hier sichtbar zu sein, Aktionen zu starten, Gewalt gegen Sachen auszuüben», so Baier.
Im Interview mit der «Tagesschau» erklärt ein ehemaliges Mitglied der linksextremen Szene, weshalb das Thema so wichtig sei und weshalb die Anwendung von Gewalt integraler Bestand ihrer Strategie sei: Der Aussteiger Adrian Oertli sagt, es gehe den Linksextremen – die sich selber als Marxisten oder Anarchisten sehen – um nichts weniger als den Umsturz des heutigen Gesellschaftssystems.