Drei Männer und eine Frau stehen seit Dienstag vor dem Basler Strafgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen fahrlässige Tötung durch Unterlassung vor: Die vier Gefängnisaufseher hätten falsch reagiert, nachdem sich eine Insassin erhängt hatte. Erst eine Viertelstunde, nachdem sie die Frau in ihrer Zelle entdeckt hätten, habe einer der Angeklagten mit der Reanimation begonnen und die Sanität alarmiert. Zu spät: Die Frau starb zwei Tage später im Unispital.
Der Anwalt des einen Beschuldigten ist überzeugt, dass man im vorliegenden Fall den vier Aufsehern keinen Vorwurf machen könne. Er ist einerseits überzeugt, dass die vier gar nicht hätten wegen fahrlässiger Tötung angeklagt werden dürfen. Dies, weil es sich um einen Suizid handle, nicht um ein Tötungsdelikt.
Ernstfall oder nur Vorspielen?
Andererseits seien die Aufseher davon ausgegangen, die Frau spiele ihnen etwas vor. Der Grund dieser Annahme liege im damaligen Sicherheitskonzept des Untersuchungsgefängnis Waaghof. «Die erste Fragestellung im Sicherheitskonzept lautete nicht, schwebt jemand in Lebensgefahr – sondern die Handlungsanweisung lautete als erstes: Spielt jemand etwas vor oder nicht», sagt Anwalt Andreas Noll.
Zudem sei sein Klient schlecht auf eine entsprechende Situation vorbereitet worden. Eine Aus- und Weiterbildung im Bereich der Suizidprävention habe es nicht gegeben. «Mein Klient hatte nie eine Schulung oder Ausbildung zum Thema Suizid, respektive um unterschieden zu können, ob es sich um einen Ernstfall handelt oder nur um ein Vorspielen.»
Zum konkreten Fall will Toprak Yerguz, Sprecher des Basler Justiz- und Sicherheitsdepartements JSD, keine Stellung nehmen. Er betont jedoch generell, dass Mitarbeitende eine entsprechende Ausbildung erhielten. «Die Suizidprävention ist im Justizvollzug ein immerwährendes Thema.» Seit der Eröffnung des Untersuchungsgefängnisses vor 26 Jahren habe es insgesamt vier vollendete Suizide und unzählige Suizidversuche gegeben. «Entsprechend ist das Thema Prävention und das Verhalten bei Suizidversuchen Teil der Ausbildung.»
Der einzige Fehler ist, nichts zu tun. Im Zweifel immer sofort alarmieren
Dies bestätigt Nadia Baggenstos, stellvertretende Abteilungsleiterin Grundausbildung beim Schweizerischen Kompetenzzentrum für den Justizvollzug SKJV in Fribourg. «Suizidprävention und das richtige Verhalten nach einem Suizidversuch hat in der zweijährigen Grundausbildung einen hohen Stellenwert», sagt sie. Mit Situationstraining würden die Auszubildenden auf entsprechende Situationen im Gefängnisalltag vorbereitet.
Ob sich die vier Aufseher im vorliegenden Fall richtig oder falsch verhalten haben, könne sie nicht beurteilen. Generell müsse man aber zuerst von einer Notsituation ausgehen – und nicht, dass jemand etwas vorspiele. «Der einzige Fehler ist, nichts zu tun. Im Zweifel immer sofort alarmieren», sagt Baggenstos.
Ob die drei Aufseher und die Aufseherin eine Mitschuld am Tod der Frau tragen, muss nun das Basler Strafgericht entscheiden. Ein Urteil wird für Freitag erwartet.
Für Anwalt Andreas Noll sind die Angeschuldigten Bauernopfer, weil die Verantwortung über die Ausbildung und die Sicherheitskonzepte bei der Gefängnisleitung lägen. Noll hat deshalb auch eine Strafanzeige gegen den Leiter des Waaghof eingereicht.
Unterdessen wurden die Abläufe im Gefängnisalltag angepasst. «Es wurden punktuell verschiedene gezielte Massnahmen ergriffen, damit sich ein solcher Fall nicht wiederholen kann», heisst es beim Basler Justizdepartement. Da diese Frage wahrscheinlich Gegenstand der Gerichtsverhandlung sein werde, könne man jedoch nicht auf Details eingehen.