Das Wichtigste in Kürze
- Der Schweizer Tierschutz stellt fest: Immer noch werden den Kühen an Viehschauen die Zitzen der prallen Euter verklebt – höchst schmerzhaft für die Tiere.
- Eine Branchenlösung für das seit Jahren bestehende Problem kam nicht zustande.
- Die Milchindustrie will nun Druck machen auf Aussteller und Viehzüchter.
- Im Nationalrat ist ein Vorstoss hängig, der das Verkleben der Zitzen verbieten will.
Die letzte grosse Milchkuhschau fand Anfang März in Bulle im Kanton Fribourg statt. Mitarbeiter des Schweizer Tierschutzes konnten sich während zwei Stunden und unter Aufsicht ein Bild der Tiere machen. Julika Fitzi ist Tierärztin beim Tierschutz. Sie sagt gegenüber dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso», die Situation habe sich kaum gebessert: «Nach wie vor steht das volle Euter im Zentrum, Verkleben ist an der Tagesordnung, ebenso das Stylen mit Emulsionen und Sprays.»
Zwar würden die Zitzen nicht mehr mit Sekundenleim verklebt, aber wenn man das Kollodium, den medizinischen Klebstoff, in Schichten auftrage, sei der Effekt derselbe: Keine Milch dringe aus den Zitzen und der Druck bleibe im Euter bestehen.
«Das eigentliche Problem sind die Melkzeiten»
Zwar begrüsse der Schweizer Tierschutz ein totales Verbot von Zitzenverkleben, aber das eigentliche Problem seien die prallen Euter, welche erst dadurch entstünden, weil die Kühe absichtlich lange nicht gemolken würden. «Deshalb würden wir es begrüssen, wenn sich die Aussteller an Melkintervalle halten würden, so dass maximal zwölf Stunden nicht überschritten werden.»
Branchenlösung gescheitert
Auch bei der Vereinigung der Schweizer Milchindustrie unterstützt man zwar ein Kollodium-Verbot, allerdings würde man das Übel mehr an der Wurzel anpacken wollen. Geschäftsführer Lorenz Hirt würde eine Lösung mit geregelten Melkzeiten ebenfalls begrüssen.
Unter Federführung der Vereinigung wurde eine Branchenlösung angestrebt, welche nicht zustande kam: «Wir unternahmen Anstrengungen, die verschiedenen Parteien zusammenzubringen für eine Branchenlösung. Wir von der Industrie wollten beim Problem der übervollen Euter ansetzen.» Doch diese Anstrengungen scheiterten.
«Wir sind Käufer und stellen Bedingungen»
In einem nächsten Schritt sei die Vereinigung der Milchindustrie nun daran, Bedingungen an die Viehzüchter zu stellen, erklärt Lorenz Hirt gegenüber «Espresso»: «Letztendlich sind wir die Käufer dieser Milchmengen und wollen uns als gewichtige Player ins Spiel bringen.» Die Milchindustrie sei im Moment daran zu definieren, welches die Anforderungen an die Lieferanten seien und wie man diese auch umsetzen könne. Der Druck auf Aussteller und Züchter dürfe also steigen.
Rinderzüchter wollen kein Verbot
Die Arbeitsgemeinschaft Schweizer Rinderzüchter ASR ist für das Ausstellungsreglement der Viehschauen verantwortlich. Sie stellt sich gegen ein Kollodium-Verbot. Zwar hat sie das Reglement in den letzten drei Jahren angepasst. So werden bei grossen Schauen immer die beiden bestplatzierten Kühe einer Ultraschall-Untersuchung des Euters unterzogen. Dazu kommen visuelle Kontrollen vor dem Einlass in den Ring.
Die Motion für ein «Zitzenverschliessverbot an Viehschauen» der Grünen Irène Kälin wird heute Donnerstag oder in der kommenden Woche im Nationalrat behandelt.