Schritt für Schritt will die Schweiz ihre Atomkraftwerke stilllegen. Als erstes wird im kommenden Dezember das AKW Mühleberg vom Netz genommen. Was bleibt sind radioaktive Abfälle, deren Beseitigung Milliarden kosten wird. Milliarden, die gemäss Gesetz die AKW-Betreiber berappen sollen, es gilt das Verursacherprinzip. Seit Jahren bezahlen die Betreiber der fünf Schweizer Atomkraftwerke deshalb in den sogenannten Entsorgungsfonds ein. Damit in schätzungsweise 30 bis 40 Jahren genug Geld vorhanden ist, um ein Endlager zu finanzieren.
Kritik an Sicherheitsmarge
Zurzeit rechnet der Bund mit Basiskosten von über 8 Milliarden Franken. Da die Kosten schwierig abzuschätzen sind, hat er aber als Vorsichtsmassnahme zusätzlich eine Sicherheitsmarge von 50 Prozent eingebaut. Er rechnet also de facto mit Kosten von bis zu 12 Milliarden Franken.
Diese 50 Prozent seien unrealistisch, kritisiert nun Alexander Budzier von der britischen Universität Oxford. Zusammen mit weiteren Wissenschaftern hat er weltweit die Kosten von 216 Grossprojekten unter die Lupe genommen, darunter auch Endlager für radioaktive Abfälle. Budzier hat untersucht, wie stark die geschätzten Kosten bei Baubeginn von den effektiven Kosten nach Fertigstellung der Projekte abgewichen sind.
Experte rechnet mit Faktor vier
Im Auftrag der Schweizerischen Energiestiftung hat Budzier nun die Berechnungen des Bundes für den Entsorgungsfonds überprüft und kommt zum Schluss, dass eine Sicherheitsmarge von 202 Prozent angebracht wäre: «Die Schweizer Regierung rechnet aber nur mit 50 Prozent. Das ist aus unserer Sicht klar zu wenig.»
Swissnuclear, der Branchenverband der Schweizer AKW-Betreiber, hat noch vor zwei Jahren in einer Kostenstudie eine Sicherheitsmarge von 23 Prozent errechnet. Nachdem diese Marge bereits zuvor von einem Expertengremium auf 38 Prozent angehoben worden war, doppelte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation dieses Jahr nach und erhöhte die Marge auf 50 Prozent.
Erstaunen beim Bundesamt für Energie
Die Aussage von Oxford-Wissenschafter Budzier, wonach gar eine Sicherheitsmarge von gut 200 Prozent realistisch wäre, löst beim Bundesamt für Energie (BFE) Erstaunen aus. Man habe ebenfalls mit internationalen Fachleuten zusammengearbeitet und nach wie vor «vollstes Vertrauen in unsere Berechnungen», kontert das BFE.
Die Differenz zu den Berechnungen von Budzier erklärt sich das Bundesamt mit der unterschiedlichen Datengrundlage. Einblick in die Berechnungen will das BFE indes nicht gewähren und erklärt, dies sei aus juristischen Gründen nicht möglich.