- Die Schweiz und die EU haben sich nicht auf ein institutionelles Rahmenabkommen geeinigt. Der Bundesrat stellt das Ergebnis trotzdem zur Diskussion.
- Die Landesregierung schickt das 34-seitige Dokumente in die Konsultation. Erst auf dieser Grundlage will der Bundesrat entscheiden, ob er das institutionelle Abkommen unterzeichnen will.
- Knacknuss sind die Lohnschutzmassnahmen: Brüssel hält den Schweizer Lohnschutz für unverhältnismässig und verlangt, dass die Schweiz innerhalb von drei Jahren die EU-Regeln übernimmt.
Was steht genau im Vertragstext? Darüber wurde bis jetzt nur spekuliert. Nun schafft der Bundesrat Klarheit und publiziert den gesamten 34-seitigen Vertrag in französischer Sprache. Dabei wird klar: Im Bereich des Lohnschutzes hat die Schweiz nachgegeben. Dies gilt etwa für die heutige Achttage-Regel. Sie besagt, dass sich Firmen aus der EU acht Tage im Voraus in der Schweiz anmelden müssen, wenn sie hier einen Auftrag ausführen.
Streitpunkt 1: Flankierende Massnahmen
Neu sollen sich Firmen nur noch vier Tage zuvor anmelden. Aufgeweicht wird gemäss Vertragstext auch die Kautionspflicht. Sie soll nur noch für Firmen gelten, die bereits finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, also zum Beispiel Löhne oder eine Busse nicht bezahlt haben. Ungelöst bleibt das Problem, dass mit der Übernahme von EU-Recht der Europäische Gerichtshof beim Schweizer Lohnschutz mitbestimmen könnte.
Streitpunkt 2: Unionsbürgerrichtlinie
Aus Sicht der EU gehört diese zur Personenfreizügigkeit und muss von der Schweiz übernommen werden. Der Bundesrat sieht dies anders. Problematisch sind seiner Ansicht nach der Ausbau der Sozialhilfeansprüche, die Ausweitung des Ausweisungsschutzes und das Daueraufenthaltsrecht ab fünf Jahren. Damit überschreitet der Vertragstext mehrere Bereiche, die der Bundesrat einst als rote Linien, als nicht verhandelbar bezeichnet hatte.
Sonderregelungen für die Schweiz
Das institutionelle Abkommen (Insta) soll auf fünf bestehende Marktzugangsabkommen angewendet werden: Personenfreizügigkeit, Landverkehr, Luftverkehr, Abbau technischer Handelshemmnisse und Landwirtschaft. Zudem würde es für künftige Marktzugangsabkommen gelten, zum Beispiel für das Stromabkommen.
Wir müssen schauen, welchen Spielraum wir innenpolitisch haben.
Für diese Abkommen legt das Insta Mechanismen für Rechtsentwicklung, Überwachung, Auslegung und Streitbeilegung fest. Gemäss dem Entwurf verpflichten sich die Schweiz und die EU, relevante EU-Rechtsentwicklungen in die Abkommen zu übernehmen. Das Referendumsrecht wird nicht eingeschränkt. Eine automatische Rechtsübernahme ist ausgeschlossen.
Das Abkommen sieht auch Ausnahmen von der Rechtsübernahme vor. Bestätigt werden Schweizer Sonderregelungen zu Nacht- und Sonntagsfahrverbot, zur 40-Tonnen-Limite, das Verbot von internationalen Tiertransporten auf der Strasse oder die Nicht-Exportierbarkeit gewisser Sozialversicherungsleistungen.
Neues Schiedsgericht
Die Schweiz und die EU legen die bilateralen Abkommen eigenständig aus. Sie sind auch für deren korrekte Anwendung auf ihrem Territorium verantwortlich. Allfällige Probleme werden in den Gemischten Ausschüssen diskutiert. Kann ein Streitfall nicht im Gemischten Ausschuss beigelegt werden, kann jede Partei die Einsetzung eines paritätischen Schiedsgerichts verlangen.
Der Bundesrat unterstütze das Paket in weiten Teilen, aber nicht in allen.
Die Schweiz und die EU ernennen je einen oder zwei Richter. Diese bestimmen dann einen weiteren, der als Vorsitzender fungiert. Fragen zur Auslegung oder Anwendung von EU-Recht legt das Schiedsgericht dem Europäischen Gerichtshof vor. Das Schiedsgericht legt den Streit gestützt auf dessen Auslegung bei. Der Entscheid des Schiedsgerichts ist verbindlich.
Setzt die Schweiz oder die EU ein Urteil nicht um, kann die andere Partei Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese müssen aber verhältnismässig sein. Bestehen diesbezüglich unterschiedliche Meinungen, kann ebenfalls das Schiedsgericht angerufen werden.