Alle zwei Jahre beurteilen die EU-Mitgliedstaaten die Beziehungen zur Schweiz. Diesmal stand zweifellos das Rahmenabkommen im Fokus. Das bereits vor Wochenfrist im Entwurf vorliegende Zeugnis ist nun offiziell veröffentlicht worden.
Der schriftliche Entscheid der EU-Mitgliedsstaaten ist klar und deutlich: Sie bedauern sehr, dass der Bundesrat das Rahmenabkommen nicht gebilligt hat. Sie rufen dazu auf, dies nach Abschluss der Konsultation nachzuholen und das Abkommen dem Parlament zur Genehmigung zu unterbreiten.
Die Schweiz bleibt ein souveräner Staat und muss sich jetzt nicht etwas aufzwängen lassen.
Vor dem Mikrofon zeigen sich manche Minister diplomatisch zurückhaltender, etwa die österreichische Aussenministerin Karin Kneissel: «Die Schweiz bleibt ein souveräner Staat und muss sich jetzt nicht etwas aufzwängen lassen. Aber wir hoffen, dass die Schweizer Konsultationen zu einem guten Ende gebracht werden.»
Entsprechend äussert sich der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn: «Die Schweiz ist da eigenständig. Die EU wird nichts forcieren, wird nicht Befehle erteilen, sondern wird warten, wie die Schweiz sich dann entscheidet.»
Worst Case soll vermieden werden
Der deutsche Staatsminister Michael Roth hält fest: «Wir nehmen sehr aufmerksam wahr, dass es offenkundig seitens des Bundesrates Diskussionen über dieses schon ausverhandelte institutionelle Rahmenabkommen gibt. Für uns ist Abkommen nach wie vor eine gute Grundlage. Wir sollten schnell zu einem erfolgreichen Abschluss kommen. Das liegt sowohl im Interesse schweizerischen Wirtschaft wie auch jener der EU.»
Die EU-Mitgliedstaaten fordern schon seit Jahren ein solches Rahmenabkommen. Seit Jahren betonen sie auch, dass die EU ohne Rahmenabkommen keine neuen Abkommen mit der Schweiz abschliessen werde, wie etwa ein Stromabkommen.
Uns sonst? Soll ohne Rahmenabkommen auch die Börsenäquivalenz nicht verlängert werden? Und sollen ohne Abkommen auch die bestehenden Abkommen eingefroren und nicht mehr aktualisiert werden?
Die EU-Kommission fordert eine harte Haltung. Die Mitgliedstaaten bleiben in ihrem schriftlichen Entscheid vager und sprechen lediglich davon, dass ein Rahmenabkommen ein wichtiger Aspekt bei solchen Fragen sein werde.
Roth: Konstruktive Bereitschaft
Mündlich sagt Staatsminister Roth dazu: «Wir wollen ja nicht zu einem solchen Worst Case kommen. Möglichst enge Beziehungen der Schweiz zum EU-Binnenmarkt sind für uns von herausragendem Interesse. Deshalb wollen wir das Rahmenabkommen zu einem Erfolg führen. Aber dazu ist die konstruktive Bereitschaft beider Seiten erforderlich. Wir bringen diese natürlich auf.» Was er unter konstruktiver Bereitschaft versteht, wollte Roth nicht mehr ausformulieren.
Nachverhandlungen mit der Schweiz wären wegen dem Brexit kein guter Entscheid.
Dafür betonte der aktuelle Ratspräsident, der rumänische Europaminister, Georges Ciamba, was darunter nicht zu verstehen ist: «Nachverhandlungen mit der Schweiz wären kein guter Entscheid.» Solche würden die Verhandlungen mit den Briten über den Brexit verkomplizieren: «Deshalb ist es wichtig, dass die EU am ausgehandelten Rahmenabkommen mit der Schweiz festhält.»
Heute lässt sich noch nicht sagen, wie die EU reagieren wird, sollte der Bundesrat das Abkommen nach Abschluss der Konsultation nicht gutheissen. Gut möglich, dass die EU nochmals über die Bücher geht. Wichtig für die EU dürfte auch sein, ob die Schweiz etwa die zweite Kohäsionsmilliarde gutheisst. Das fordern die Mitgliedstaaten unmissverständlich.